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Abseits der Weltbühne

Von WZ-Korrespondent Peter Nonnenmacher

Politik

Während Merkel und Hollande in der Ukraine-Krise verhandeln, verliert Großbritannien mehr und mehr an Bedeutung.


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London. Jahrelang waren die Briten gewöhnt, bei großen Ereignissen auf der Weltbühne an vorderster Front zu stehen. Nicht zuletzt dank ihrer engen Anlehnung an die USA, ihren global verstreuten Militärbasen und ihrem Sitz im UN-Sicherheitsrat konnten sie trotz stetig schwindenden Eigengewichts "ganz oben mitmischen", wie noch John Majors Außenminister Douglas Hurd einmal stolz erklärte.

Inzwischen aber fragt das Leitblatt der Konservativen, die Londoner "Times", empört danach, ob das Land jetzt nur noch "in den unteren Klassen" spielen wolle. Für die "Financial Times" ist London auf bestem Wege, weltpolitisch "ins Seitenaus" abzudriften. Die schärfsten Worte aber stammen von General Sir Richard Shirreff, der bis vor kurzem höchster Nato-Befehlshaber in Europa war. Für Shirreff ist Premierminister David Cameron bereits zur "außenpolitischen Irrelevanz" geworden: "Niemand nimmt auch nur die geringste Notiz von ihm."

Anlass für die bitteren Worte ist natürlich die Abwesenheit Camerons beim Ringen um eine Eindämmung der Ukraine-Krise. Als Angela Merkel und François Hollande vorige Woche in Kiew und Moskau verhandelten, reiste der Tory-Premier zu einem Wahlkampftermin in den Kurort Leamington Spa in der englischen Provinz.

Mit leichtem Heben der Augenbrauen nahmen viele Briten am Montag auch den Auftritt Merkels im Weißen Haus zur Kenntnis - und dass Hollande der Kanzlerin in Minsk am Mittwoch erneut zur Seite stehen will. "Cameron", nährte Labours außenpolitischer Sprecher Douglas Alexander das Gefühl der Zurücksetzung, "ist nicht zur Teilnahme an irgendetwas eingeladen worden. Noch hat er überhaupt Interesse gezeigt, eine Rolle zu spielen."

Die bissigen Kommentare waren im Grunde vorauszusehen. Immerhin war Großbritannien neben Russland und den USA einer der drei Staaten, die 1994 die territoriale Integrität der Ukraine garantiert hatten. Darüber hinaus hatte Cameron mit scharfer Rhetorik wieder einmal Handlungs-Erwartungen geweckt.

Er hatte bereits im vorigen November erklärt, man wisse ja, wohin es führe, "wenn man sich blind dafür stellt, dass größere Länder in Europa kleinere drangsalieren". Russlands Aktionen seien "für den Rest Europas eine ernste Gefahr" geworden. Außenminister Philip Hammond warf dem russischen Präsidenten am Sonntag vor, sich "wie ein Tyrann aus der Mitte des 20.Jahrhunderts" zu benehmen.

Viele Tories hatten in einer als derart ernst empfundenen Krise von ihrem Regierungschef wesentlich mehr Profil erwartet, ein erneutes Zusammenschließen mit Washington und eventuell etwas mehr Säbelgerassel, nicht nur verbaler Art. Davor aber scheut man in London zunehmend zurück. Die unglücklichen "Feldzüge" in Afghanistan, Irak und Libyen haben ihre Spuren hinterlassen. Dass das Parlament ihm im Sommer 2013 schlicht die Bombardierung Syriens verbot, hat Cameron nachhaltig verunsichert. Selbst heute gegen den IS setzt London - wie der Verteidigungs-Ausschuss des Unterhauses vorige Woche beklagte - nur "verblüffend geringe Mittel" ein.

Cameron spart bei Armee

Auch Camerons Austeritäts-Politik spielt natürlich eine Rolle. Die Armeestärke schrumpft. Alte Basen werden geschlossen. In dieser Situation müsse sich das Königreich ernsthaft überlegen, wohin es steuern wolle, finden Regierungs-Kritiker. Entweder müsse man das Geld finden, um sich ein weiteres Mitmischen "ganz oben" erlauben zu können. Oder man müsse neue Wege begehen, um auch diplomatisch nicht ganz als "Fliegengewicht" dazustehen.