Der burgenländische Landeshauptmann Doskozil holt mit einer restriktiven Migrations- und einer linken Sozialpolitik die absolute Mehrheit. Was für Lehren können die Genossen im Bund und in Wien aus dem Ergebnis ziehen?
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Was sich über Hans Peter Doskozil mit Sicherheit sagen lässt, ist, dass er kein Mann für politikphilosophische Theoriestunden ist. Der burgenländische Landeshauptmann kann mit den Verortungen links und rechts nichts anfangen. Diese Bezeichnungen seien "von gestern", sagte er im Ö1-"Morgenjournal" am Tag, nachdem er bei der Landtagswahl im Burgenland die Absolute mit fast 50 Prozent holte. So richtig lässt sich Doskozil danach auch nicht einordnen. Offenbar ist dies auch selbst für die eigenen Genossen verwirrender geworden.
Einerseits unterscheidet sich Doskozil mit seiner lange kultivierten restriktiven Migrationspolitik kaum von Bundeskanzler Sebastian Kurz und seiner ÖVP. Das erkannten die beiden schon früh. In einem gemeinsamen Interview mit dem "Standard" kurz vor der Nationalratwahl 2017 bezeichnete Kurz Doskozil als "Partner" in Migrationsfragen. Doskozil, damals noch Verteidigungsminister, meinte: "Wir sind uns von der Grundintention her einig." Ab und zu verlangte Doskozil später von der türkis-blauen Regierung sogar noch nach mehr Härte. Beispielsweise als er sich für eine verfassungskonforme Sicherungshaft für Asylwerber und Österreicher einsetzte. Für solche Ausreißer wurde Doskozil auch innerparteilich gescholten.
Andererseits steht Doskozil für eine Sozialpolitik deutlich links der Mitte, für die er noch nicht so bekannt ist. Dafür wird er von den gleichen Genossen nun gefeiert. Laut Günther Ogris von Sora waren Doskozils Reformen ein wesentlicher Faktor für den Wahlerfolg im Burgenland. Konkret "das Re-Staatliche". Doskozil lege dadurch auch ein gesellschaftliches Gegenmodell zur türkisen ÖVP vor, sagt Ogris. Diese stehe im Gegensatz dazu für Einsparungen in der Verwaltung und den Ausbau des Ehrenamtes. Ein wesentlicher Teil von sozialer Arbeit und Hilfsdiensten wird heute von Vereinen geleistet, die nebenbei auch ein Spendenaufkommen haben. Auch in der Pflege.
Mit den Freiheitlichen setzte Doskozil schon vor der burgenländischen Landtagswahl auf einen Mindestlohn von 1700 Euro netto für Landesbedienstete um, was die örtliche Wirtschaft massiv kritisierte. Pflegende Angehörige werden zu diesem Preis vom Land angestellt. Das brachte Doskozil den Vorwurf der "Verstaatlichung" ein. Mit einer solchen Spitze kann ein Sozialdemokrat aber wohl gut leben.
Parallelen zu Sebastian Kurz
Der Politikbeobachter Thomas Hofer beschreibt die Linie des Landeshauptmanns als eine Mischung aus Rechts- und Linkspopulismus. Rechtspopulistisch im Migrationskurs. Linkspopulistisch in der Sozialpolitik. Hofer stellt auch hier eine leichte Parallele zu Kurz fest, "wenn auch mit unterschiedlichen Zuspitzungen".
Der Bundeskanzler und ÖVP-Chef habe von den Verfehlungen Wolfgang Schüssels gelernt, der vermeintlich linke Sozialthemen eher nicht bediente. Ob es zuletzt die Abschaffung des Pflegeregresses, die Nicht-Erhöhung des Frauenpensionsalters oder der Familienbonus war, Kurz bediene solche Themen "durchgängig". Kurz versuche bei für die ÖVP schwierigen Sozialthemen, die Tür früh genug zuzumachen, "um SPÖ und FPÖ weniger Luft zum Atmen zu lassen", so Hofer.
Aber was heißt das burgenländische Landtagswahlergebnis nun für die Bundes-SPÖ und für die angeschlagene Parteichefin Pamela Rendi-Wagner? Und welche Vorzeichen lassen sich für die Wien-Wahl im Herbst ableiten?
Der Druck auf einen Rücktritt Rendi-Wagners wird wohl bis zur Wien-Wahl einmal abflauen. An parteiinternen Querelen vor der Wien-Wahl hat vor allem Wiens Bürgermeister Michael Ludwig kein Interesse. Auch Doskozil erteile im Ö1-"Morgenjournal" einer Obfraudebatte erneut eine Absage. Es sei nicht der richtige Zeitpunkt. Wie das Burgenland müssten mit Wien und Oberösterreich zwei Länder in den nächsten Monaten Ergebnisse einfahren. Vor der Nationalratswahl werde man darüber befinden, wer an der Spitze der SPÖ stehen solle. Ein vehementes Festhalten an der Parteichefin klingt anders.
Rendi-Wagner kündigte jedenfalls am Wahlabend an, sich an der burgenländischen SPÖ und ihrer Themensetzung ein Beispiel nehmen zu wollen. Auch Ludwig meinte, dass das Ergebnis im Burgenland "auch weit darüber hinaus" wichtig sei. Auch der Bund könne daraus Lehren ziehen.
Politikbeobachter Hofer sieht sowohl für die Sozialdemokraten im Bund als auch in Wien Potenzial bei der "sozialpolitischen Aufladung" nach burgenländischem Vorbild. "Mich würde es nicht überraschen, wenn wir bald eine Debatte beispielsweise über Mietendeckel in Österreich haben", sagt Hofer. Dieses Thema habe die Ingredienzien, um es stark zu positionieren. In Deutschland war dies bereits ein viel diskutiertes Thema. Auch der Mindestlohn sei ein Komplex, der naheliegen würde, sagt Hofer. Beim Migrationsthema sei es schwieriger, die burgenländische Position zu übernehmen, da gerade die Wiener SPÖ-Wähler zu heterogen seien, so Hofer. (jm)