Gemeinhin spricht man ja von einem Aufstieg, wenn einer Partei nach Jahrzehnten der Opposition endlich der Wechsel auf die Regierungsbank gelingt. So mancher fühlt sich dadurch sogar "geadelt", was allerdings irgendwie - aber das nur nebenbei - impliziert, dass die parlamentarische Arbeit der Opposition von minderem Wert sei...
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Die Hochstimmung bei den Wiener Grünen ist verständlich: Rot-Grün ist für die Partei strategisch enorm wichtig, endlich wird sie auch von der Sozialdemokratie als regierungsfähig anerkannt. Damit kann zumindest einmal praktisch der Boden für eine linksliberale Bundesregierung aufbereitet werden, auch wenn eine politische Mehrheit derzeit außer Reichweite scheint.
Allerdings müssen die Grünen künftig von ihrem hohen moralischen Ross, von dem sie so gerne auf alle anderen Parteien herabgesehen haben, auf kleinere Gäule umsatteln. Vorbei ist es mit der politischen Unschuld, die auf Oppositionsbänken so trefflich rhetorisch gedeiht. Ab sofort sitzen sie mit am Spieltisch der Macht, wo es zweifellos um die Umsetzung politischer Wertvorstellungen geht - aber eben auch um Posten, Pfründe und Winkelzüge zur Wahrung des eigenen Vorteils.
Dass die Grünen nun im Wiener Gemeinderat gegen einen Antrag mit demselben Wortlaut gestimmt haben, mit dem sie selbst noch im Mai eine Reform des Wahlrechts gefordert hatten, war diesbezüglich nur ein erster Schritt. Als Regierungspartei müssen sich die Grünen an ihren alten Forderungen als Oppositionspartei messen lassen.
Die Grünen kennen dieses Spiel, betreiben sie es doch selbst bei der politischen Konkurrenz nah an der Perfektion. Nun sind sie es jedoch selbst, die zwischen die Mühlsteine einer moralisierenden Politik geraten.
Die erstaunliche Gewandtheit, mit der sie sich nun aus der von FPÖ und ÖVP gestellten Wahlrechtsfalle herausargumentieren, zeigt, dass sie sich bereits gut in die Seele einer Regierungspartei hineinversetzt haben: Den blau-schwarzen Hohn und Spott lassen die Grünen betont lässig abprallen. Willkommen in der grauen Wirklichkeit der Halbwahrheiten und kleinen Lügen. SPÖ, ÖVP, FPÖ und BZÖ sind schon längst angekommen.