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Abstimmen "nur über Grundsätze"

Von Michael Schmölzer

Europaarchiv

"Politiker dürfen sich nicht davor drücken, Entscheidungen zu treffen." | Schwarzenberg im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". | "Wiener Zeitung": Die Iren haben dem Reformvertrag per Referendum eine Absage erteilt. Was ist jetzt zu tun?


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Karl Schwarzenberg: Erstens: Die Iren sind kein Grund, das Projekt aufzugeben. Zweitens: Das irische Nein hatte, wie das bei allen EU-Abstimmungen der Fall ist, innenpolitische Gründe. Und drittens: Europa ist dem Bürger fremd geworden, das bietet Spielraum für Demagogie.

Sie sind nicht der Ansicht, dass bestimmte Fragen wie in diesem Fall der EU-Vertrag besser von Politikern und nicht vom Volk entschieden werden sollten?

Es ist grotesk, dass ich mit meinem Namen und meinem Hintergrund immer die Demokratie verteidigen muss. Ich bin natürlich der Meinung, dass sich gewählte Politiker nicht drücken dürfen, auch unpopuläre Entscheidungen zu treffen. Ein Referendum hat dann Sinn, wenn über konkrete Fragen abgestimmt wird, etwa ob eine Dorfumfahrung rechts- oder linksherum führen soll. Auch über Grundsatzentscheidungen soll man abstimmen, aber nicht bei jeder Verfassungsänderung, das ist Unsinn.

Wie sieht für Sie die Zukunft eines Europa ohne Reformvertrag aus? Wird es eine langwierige Phase der Stagnation geben? Man hat das Gefühl, die EU-Politiker sind völlig konfus, ohne Konzept.

Wichtig ist, jetzt nicht in Panik zu verfallen. Eine Lösung wird kommen. Die Stimmung wird sich über die Sommerferien sicher beruhigen, und die Politiker können sich Konzepte überlegen. Ich meine aber, wir sollten uns in Zukunft nicht allzu sehr vom Lissabon-Vertrag entfernen, das wäre ein Fehler.

Wenn man den Bürgern das Gefühl gibt, dass eine politische Elite den Vertrag gegen ihren Willen durchdrückt - schafft man damit nicht perfekte Bedingungen, dass die Anti-EU-Stimmung - etwa in Österreich - immer und immer stärker wird?

Was die SPÖ betrifft, steht mir ein Urteil nicht zu. Das Stichwort hier ist Subsidiarität. Wenn es um Sachen wie Käse- und Schnapsverordnungen geht, sollen das die einzelnen EU-Länder unter sich ausmachen können, das muss nicht zentral erfolgen. Gleichzeitig muss ich feststellen, dass unter Politikern die Bereitschaft, Entscheidungen zu fällen, abgenommen hat.

In Tschechien ist die Ratifiaktion des EU-Vertrags ja auf Eis gelegt. Der Fall liegt bei Gericht. Wann wird sich da konkret etwas Neues tun?

Der Verfassungsgerichtshof wird ein Urteil fällen und im Herbst verkünden. Im Oktober wird dann ein Drittel des Senats neu gewählt, ich kann mir vorstellen, dass die Sache dann in Schwung kommt.

Ein großer Unsicherheitsfaktor ist der bekannt euroskeptische tschechische Staatspräsident Vaclav Klaus. Was ist, wenn er sein Veto gegen die Ratifikation des EU-Vertrags einlegt?

Das kann er gar nicht. Aber Vaclav Klaus hat in der Frage eine eigene Meinung, das stimmt.

Die Vereinigten Staaten von Amerika wollen die Radaranlagen für ihr Raketenschild in der Tschechischen Republik aufstellen. Wann wird der Vertrag unterzeichnet?

Am 8. Juli soll US-Außenministerin Condoleezza Rice nach Prag kommen, dann wird der Grundsatzvertrag über das Radar unterzeichnet.

Die gewaltsame Beendigung des Prager Frühlings durch die Sowjet-Invasion ist jetzt genau 40 Jahre her. Reagieren die Tschechen nicht allergisch, wenn jetzt wieder fremde Soldaten - diesmal aus den USA - nach Tschechien kommen?

Natürlich gibt es da Gegner, aber es handelt sich ja nur um 120 Soldaten.

"Es ist grotesk, dass ich mit meinem Namen und meinem Hintergrund immer die Demokratie verteidigen muss."