Über gute und weniger gute Argumente gegen mehr direkte Demokratie.
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Entgegen einer hierzulande weitverbreiteten Annahme ist Demokratie keine einfache Angelegenheit. Und was die Sache noch verschärft: Die Praxis ist noch weitaus komplizierter als die ohnehin schon verkopfte und vertrackte Theorie.
Dessen ungeachtet schallt der Ruf nach mehr Demokratie durch Österreich. In Wien versucht jetzt sogar eine neue Partei mit der Forderung nach mehr direkter Mitbestimmung der Bürger bei der Wahl am 11. Oktober ihr Glück. Eine plebiszitäre Demokratie nach Schweizer Vorbild ist deren erklärte Vision. Und prompt liebäugelt FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache mit der Ankündigung eines Asyl-Volksbegehrens.
Dabei liegt das Geheimnis jeder funktionierenden Demokratie im Wissen, dass man eben nicht über alles abstimmen kann. Also "können" kann man schon; entscheidend ist, dass sich dabei stets eine stabile strukturelle Mehrheit der Bürger darauf verständigt, welchen Ideen notfalls eben an der Urne verlässlich eine Abfuhr erteilt wird.
Worüber abgestimmt werden soll und worüber besser nicht, ist mindestens so sehr eine Frage der politischen Kultur wie des Hausverstands. Nichts spricht gegen ein Referendum, das für heiße Sommer wirbt, und ein weiteres, das schneereiche Winter verspricht, außer dem Umstand, dass das ziemlich jenseitig wäre. Natürlich kann ein Land auch ein Plebiszit abhalten, das die Finanzierung des eigenen Wohlfahrtsstaats durch andere Staaten einfordert. Allerdings besteht das nicht unbeträchtliche Risiko, dass ebendiese anderen Staaten das anders sehen.
Der Demokratie sind, bei solchem Licht betrachtet, tatsächlich keine Grenzen gesetzt. Die Vernunft sagt trotzdem etwas anderes.
Sinnvollerweise stimmt eine Gemeinschaft nur über solche Angelegenheiten ab, die sie nicht nur irgendwie emotional oder materiell berühren, sondern die sie auch selbst beeinflussen kann. Letzteres betrifft insbesondere die Begleichung jeglicher Folgekosten.
Wer es lieber einfacher mag, kann sich bei den Leitlinien der Demokratie auch an die simple Lebensweisheit halten, die da lautet: "Was du nicht willst, dass man dir tu’, das füg auch keinem anderen zu." Wer mit diesem Maß misst, liegt meistens richtig.
Man muss kein Anhänger von mehr direkter Mitbestimmung sein, es gibt tatsächlich etliche gute Gründe dagegen. Einer der weniger guten Gründe ist das Argument, damit würden dumpfen Gefühlen und niederen Instinkten im Stimmvolk Tür und Tor geöffnet werden.
Wenn dem tatsächlich so sein sollte, käme dies einer politischen Bankrotterklärung der vergangenen sieben Jahrzehnte gleich. Bei künftigen Sonntagsreden sollte dann besser nicht mehr von der "Erfolgsgeschichte der Zweiten Republik" die Rede sein.
Mehr Gewicht hat da schon die Befürchtung, dass die mitunter tatsächlich feststellbare heimische Tendenz zur unbedarften Gefühlsäußerung an der Wahlurne mit der gelebten Vorbildwirkung der gewählten Politiker zusammenhängen könnte.
Mehr Mitbestimmung bleibt trotzdem möglich - genauso übrigens wie repräsentativ gewählte Politiker, die sich selbst bei jedem ihrer Worte ernst nehmen.