Die Mehrheit der UN-Staaten ist entsetzt über den geplanten US-Ausstieg aus dem Atom-Deal mit dem Iran.
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Wien. 13 Jahre lang hat der Westen mit dem Iran wegen dessen Nuklearprogramms verhandelt und am 14. Juli 2015 ein Abkommen erzielt. Dieses steht nun bei der UN-Hauptversammlung in New York auf dem Prüfstand. Washington will entweder mit Europas Hilfe neu verhandeln oder aussteigen. Viel Interpretationsspielraum gibt es laut USA nicht. US-Außenminister Rex Tillerson meinte, dass der Vertrag "nicht streng genug" sei und nicht ausreiche, um das Atomprogramm des Iran zu bremsen, und schlug damit in dieselbe Kerbe wie sein Chef. Dieser hatte den Deal als "Schande" und "schlechtestes Abkommen aller Zeiten" bezeichnet und will möglicherweise schon im Oktober aus dem Vertrag zwischen den fünf UN-Vetomächten (China, Großbritannien, Frankreich, Russland und USA) plus Deutschland und dem Iran aussteigen.
Die USA können aus dem JCPOA-Vertrag (Joint Comprehensive Plan of Action) unter gewissen Bedingungen aussteigen (siehe Kasten). Die harschen US-Worte lösten in New York ein kollektives Stirnrunzeln aus. Sowohl die Europäer als auch die Russen und Chinesen und natürlich der Iran selbst reagierten äußerst verschnupft, nur Israel lobte den Vorstoß.
Trumps Rede für Vereinte Nationen "ungeeignet"
Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron warnte Trump erneut, dass die Aufkündigung des Iran-Abkommens ein "schwerer Fehler" sei. Auch Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel beharrt auf dem Deal.
Sogar der enge US-Verbündete Großbritannien will keineswegs am Deal rütteln und brüskiert damit Washington. Russlands Außenminister Sergej Lawrow distanzierte sich ebenfalls klar von Trump. "Wenn wir einfach nur verurteilen und drohen, dann machen wir uns wahrscheinlich jene zum Feind, auf die wir Einfluss ausüben wollen", sagte Lawrow. Die Chinesen pochen ebenfalls auf die Einhaltung der Vereinbarung und halten einen etwaigen US-Ausstieg für einen "Fehler". Irans Chefdiplomat Zarif bezeichnete Trumps Worte sogar als "ignorante Hass-Rede". Sie gehöre "ins Mittelalter, nicht in die UNO des 21. Jahrhunderts" und sei einer Antwort "nicht würdig", erklärte er via Twitter. Irans Staatschef Rohani warnte Trump, dass er mit einem Ausstieg aus dem Atomabkommen das Vertrauen der internationalen Gemeinschaft verspielen würde. In seiner Ansprache vor den UNO am Mittwoch versicherte er, dass sich sein Land an das Abkommen halte. Die Kritik Trumps von Vortag konterte der Iraner: Trumps Rhetorik sei "ignorant, absurd und abscheulich" und sei als Rede vor den Vereinten Nationen "ungeeignet". Die USA hätten Milliarden für Frieden und Stabilität im Nahen Osten ausgegeben. Gebracht habe das in der Region aber nur "Krieg, Elend, Armut und den Aufstieg von Terrorismus und Extremismus".
Im US-TV kündigte Rohani an, dass der Iran im Falle eines Ausstiegs aus dem Abkommen sein Atomprogramm auf das frühere Volumen hochschrauben würde. Allerdings handle es sich dabei um "friedfertige Aktivitäten".
Unverständnis äußerte auch Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen angesichts der Haltung des US-Präsidenten. Der Iran halte das Atom-Abkommen bisher auf "Punkt und Beistrich" ein, erklärte Van der Bellen. "Trump hat auch nicht gesagt, was der Iran nicht erfüllt." Das in Wien ausgehandelte Atomabkommen mit dem Iran zu unterminieren, würde die Bemühungen schwächen, Lösungen für nukleare Streitigkeiten auszuhandeln, erklärte Außenminister Sebastian Kurz in New York.
(af) Unter dem Titel "Dispute Resolution Mechanism" ist ein Dreistufen-Prozedere bei Problemen mit dem Atomdeal vorgesehen: Wenn der Iran glaubt, dass einer der Vertragspartner der 5+1-Gruppe seine Verpflichtungen im Rahmen des Vertrags nicht erfüllt, dann kann er die Angelegenheit vor die gemeinsame Resolutions-Kommission bringen. Wenn ein Mitglied der 5+1 Gruppe, etwa die USA, der Ansicht ist, dass der Iran seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, kann dieses den Fall ebenfalls der Kommission übergeben. Diese hat dann 15 Tage Zeit, sich mit dem Fall zu beschäftigen und eine Lösung herbeizuführen. Dieser Zeitrahmen kann mit dem Einverständnis aller Beteiligten verlängert werden.
Nach dieser Phase kann jeder Vertragsstaat die Sache an die Außenminister der 5+1 Gruppe und des Iran übergeben, wenn er der Ansicht ist, dass das Vertragsproblem nicht gelöst wurde. Die Minister haben erneut 15 Tage Zeit, das Problem zu lösen, wobei der Zeitrahmen verlängert werden kann.
Wenn die Angelegenheit auch dann nicht gelöst werden kann, und die klagende Partei, in dem Fall die USA, noch immer der Meinung ist, dass das Problem zu einer grundlegenden Nichteinhaltung der Vertragsnormen führt, kann die klagende Partei dies zum Anlass nehmen, ganz oder teilweise aus dem Vertrag auszusteigen und/oder den UN-Sicherheitsrat über die Angelegenheit zu informieren.
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