Druck auf Koalitionspartner. | Einst Sache von Kommissionen. | Prag. Tschechische Frauen sollen in Zukunft nur noch mit Zustimmung des Vaters ihres ungeborenen Kindes abtreiben dürfen. Das wollen zumindest die Christdemokraten (KDU-CSL) als Teil der Regierungskoalition durchsetzen. Der liberale Umgang mit Schwangerschaftsunterbrechungen ist ihnen schon lange ein Dorn im Auge. Jetzt machen sie ihre Stimmen für eine umfassende Gesundheitsreform von einer Verschärfung des Abtreibungsgesetzes abhängig.
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So sollen Abtreibungen in Zukunft nur noch nach eingehenden Beratungsgesprächen und bis zur 18. Schwangerschaftswoche erlaubt werden. Junge Frauen unter 18 Jahren sollen dabei nicht nur das Ja des Kindsvaters, sondern auch das ihrer Eltern vorlegen. "Wir wollen darauf aufmerksam machen, dass eine Abtreibung nicht das selbe ist, wie sich einen Zahn ziehen zu lassen", erläuterte der christdemokratische Abgeordnete Jiri Carbola die Politik seiner Partei.
Auf wenig Zustimmung stößt er allerdings bei seinen Koalitionspartnern. Das sei so, als ob man Frauen ihr Wahlrecht streitig mache, glaubt der gesundheitspolitische Sprecher der konservativen Bürgerpartei ODS, Boris Stastny. Für ihn steht fest: "Das ganze ist ein Schritt zurück."
Weniger Abtreibungen
Gemeint ist ein Schritt zurück in die Zeit vor 1987, als Abtreibungen gesetzlich zur Sache ausschließlich der betroffenen Frau erklärt wurden. Zurück in die Zeit der gefürchteten Abtreibungskommission. Die war bis zu besagter Gesetzesreform 1987 Herr über Leben und Tod. Jede Frau, die ihre Schwangerschaft unterbrechen wollte, musste bei der Kommission, zusammengesetzt aus Ärzten, Beamten und Lokalpolitikern, vorstellig werden und dort nicht nur ihr Leben und ihre Gründe gegen das Kind offenlegen, sondern auch ihr Einkommen. Dem entsprechend wurden dann die Kosten und Gebühren des Eingriffs festgelegt. Nicht immer fand die Kommission den Wunsch nach einer Abtreibung berechtigt. Was blieb, war der Gang zum Engelmacher oder eben doch der Kreißsaal.
Wie viele ungewollte Kinder in dieser Zeit geboren wurden, hat die Statistik natürlich nicht erfasst. Wohl aber die Zahl der Abtreibungen. Und die ist in den vergangenen Jahren enorm gefallen. Noch im Jahre 2000 kamen auf 91.000 Geburten 34.000 Abtreibungen. Sechs Jahre später ist die Zahl der Abtreibungen auf 25.000 gesunken, die der Geburten auf 114.000 gestiegen. "Frauen gehen immer verantwortungsvoller mit dem Kinderkriegen um, auch dank besserer Verhütungsmethoden", meint der Sexualwissenschafter Petr Weiss.
Eine Dunkelziffer gibt es allerdings auch. Nicht jede Abtreibung erfordert einen operativen Eingriff. "Bis zur achten Schwangerschaftswoche ist eine so genannte medizinische Abtreibung möglich", erklärt eine Frauenärztin, die nicht genannt werden will. Denn diese Form von Schwangerschaftsunterbrechung, eine künstlich herbeigeführte Fehlgeburt, ist nur halb-legal. "Bei uns gilt: Was nicht verboten ist, ist erlaubt", sagt die Gynäkologin. Nicht erlaubt dagegen ist es, Schwangerschaftsunterbrechungen bei Ausländerinnen durchzuführen. Das haben die Christdemokraten inzwischen durchgesetzt. Ob sie damit den Abtreibungstourismus nach Tschechien stoppen werden, bleibt fraglich.
Areligiöse Gesellschaft
Vor allem Polinnen haben in der Vergangenheit den liberalen Umgang mit Schwangerschaftsunterbrechungen in Tschechien genutzt. Der rührt auch daher, dass Glaube innerhalb der tschechischen Politik und Gesellschaft keine große Rolle spielt. Nur ein knappes Drittel der Tschechen glaubt, so die letzte Volkszählung aus dem Jahre 2001, überhaupt an Gott. Zwei Drittel dagegen, besagt eine andere Statistik, glauben, der Bauch sei Sache der betreffenden Frau. Da muss selbst Erzbischof Jan Graubner klein beigeben, der am Donnerstag bei Gesundheitsminister Tomas Julinek vorbeischaute, um für die Abtreibungspolitik der Christdemokraten zu werben: Sie werde sich wohl kaum durchsetzen, räumte der Erzbischof nach dem Treffen ein.