Zum Hauptinhalt springen

Abtrünnige fordern den ANC heraus

Von Klaus Huhold

Politik

ANC bleibt großer Favorit. | Neue Partei Cope hat noch kein klares Profil entwickelt. | Justiz, Armut und Kriminalität Themen des Wahlkampfes. | Johannesburg/Wien. Der African National Congress (ANC) steht bei der Parlamentswahl in Südafrika vor einer großen Herausforderung. Die seit dem Ende der Apartheid Mitte der 1990er Jahre fast allmächtige Partei hat mit Abtrünnigen aus den eigenen Reihen zu kämpfen, die eine neue Partei namens Cope gründeten und nun dem ANC Konkurrenz machen.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 15 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Trotzdem bleibt der ANC der große Favorit für die Wahl. Viele schwarze Südafrikaner stehen der Befreiungsbewegung aus der Apartheid noch immer sehr loyal gegenüber. Es geht aber darum, ob die Macht des ANC ein wenig gebrochen werden kann, ob die Zwei-Drittel-Mehrheit, durch die der ANC die Verfassung ändern kann, bei der Wahl am Mittwoch fällt.

Laut Prognosen kann Cope nur sehr begrenzt in den Gewässern des ANC fischen, der Partei werden um die zehn Prozent vorausgesagt. Und das, obwohl Cope aus lauter gestandenen ehemaligen ANC-Recken besteht, die nun ihrer ehemaligen Partei das Erbe aus dem Befreiungskampf streitig machen. Der Vorsitzende Mosiuoa Lekota etwa hatte gegen die Apartheid gekämpft und war später Verteidigungsminister.

Die Gründung von Cope war Folge des Machtkampfes zwischen Ex-Präsident Thabo Mbeki und Jacob Zuma. Zuma hatte Mbeki bei einer Kampfabstimmung den Parteivorsitz abgetrotzt. Und weil Mbeki vorgeworfen wurde, ein Korruptionsverfahren gegen den umstrittenen Zuma angezettelt zu haben, stürzte ihn die Partei später auch gleich als Präsidenten Südafrikas und bestimmte Kgalema Motlanthe zu seinem Nachfolger. Da wurde es manchen ANC-Mitgliedern zu viel und sie gründeten Ende 2008 Cope.

Kampf um Rechtsstaat

War die Partei damals noch mit viel Vorschusslorbeeren bedacht worden, hat sich das mittlerweile geändert. Sie hat es verabsäumt, ein klares eigenes Profil zu entwickeln. Zu sagen, man mache das Gleiche wie der ANC, nur besser, sei noch kein politisches Programm, ätzen Kritiker.

In einem Punkt hebt sich Cope, ebenso wie die bisher größte Oppositionspartei Democratic Alliance (DA) aber stark vom ANC ab. Cope und die DA präsentieren sich als Verteidiger des Rechtsstaates. Hintergrund sind die Korruptionsvorwürfe gegen Zuma. Dieser wurde angeklagt, während seiner Zeit als Vizepräsident Ende der 90er Jahre bei einem Rüstungsgeschäft von einem südafrikanischen Tochterunternehmen des französischen Waffenherstellers Thales Schmiergelder erhalten zu haben. Doch kürzlich wurde die Anklage fallen gelassen. Dem ANC wird vorgeworfen, Druck auf die Richter ausgeübt und die Justiz unterminiert zu haben.

Zuma: Held der Armen

Wie viele Stimmen das den ANC aber kosten wird, ist fraglich. Denn er wird sehr stark von den Armen gewählt. Bei diesen geben Korruptionsvorwürfe bei der Stimmabgabe nicht den Ausschlag. Ihnen geht es um Wohnmöglichkeiten, Elektrizität und Arbeitsplätze - und davon verspricht der ANC reichlich.

Dabei war es gerade der ANC, der in den vergangen Jahren die Sozialpolitik bestimmte. Unter Mbeki schafften zwar einige Schwarze den Sprung in die Mittelschicht, doch vielen blieb weiter nur die Armut ihrer Townships. Die Arbeitslosigkeit beträgt offiziell 21 Prozent, inoffiziell soll sie fast doppelt so hoch sein. Mbeki wurde immer wieder vorgeworfen, dass durch seine rigide Sparpolitik Sozialprogramme auf der Strecken blieben.

Auch wenn Zuma als Vizepräsident bis 2005 die Maßnahmen Mbekis mittrug, verspricht er nun, mit der Politik seines Vorgängers zu brechen. Er ist der Hoffnungsträger der Armen. Der 67-Jährige wuchs selbst in bescheidensten Verhältnissen auf und "er versteht es, in der Terminologie der Armen zu sprechen", erklärt der dem ANC nahe stehende südafrikanische Ex-Politiker Horst Kleinschmidt im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".

Bei einem anderen heißen Thema hält sich der ANC aber zurück: Der ausufernden Kriminalität, die die Regierung kaum in den Griff bekommt. Die Sicherheitsproblematik wird eher von der stark von Weißen geprägten oppositionellen DA besetzt.

Die von der Kapstädter Bürgermeisterin Helen Zille angeführte DA wird stark von der Ober- und Mittelschicht gewählt und diese verschanzt sich in bewachten Wohnvierteln hinter Stacheldrahtzäunen. "Die Leute sind unsicher und nervös", berichtet die nach Wien ausgewanderte Südafrikanerin Emma Hooij berg, die erst kürzlich ihre Heimat besucht hat. "So können etwa in den Städten die Kinder nirgendwo alleine spielen. Außerdem ist die Kriminalität sehr brutal. Autos werden oft nicht nur gestohlen, sondern der Fahrer gleich erschossen."

Trennlinie Hautfarbe

Doch auch wenn die DA mit der Thematisierung der Kriminalität vielen Südafrikanern aus dem Herzen spricht, wäre es eine Überraschung, könnte sie ihre 12 Prozent von 2004 markant steigern. Sie habe es verabsäumt, auch Schwarze anzusprechen, sagt Kleinschmidt. Die DA ist vor allem eine Partei der Weißen und der Coloureds. Der ANC wiederum wird hauptsächlich von Schwarzen gewählt, und auch Cope dürfte eher von Schwarzen Stimmen erhalten.

Kleinschmidt, der als Weißer gegen die Apartheid gekämpft hat, sieht in der Aufspaltung der politischen Landschaft nach Hautfarben eine sehr große Gefahr. Doch könnten diese Trennlinien nun durch die Gründung von Cope durchbrochen werden. Cope und DA könnten nach der Wahl ein Abkommen schließen, gemeinsam eine starke Opposition bilden und somit schwarze und weiße Mittelschicht zusammenführen. Die Tendenz in diese Richtung ist aber nicht sehr stark, räumt Kleinschmidt ein.

Mehr zum Thema:Analyse: ANC-Chef Zuma in der Zwickmühle zwischen Linken und Großkapital

+++ Nelson Mandela unterstützt Zuma