Drei Länder kontrollieren 85 Prozent der Phosphor-Vorräte.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 12 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Berlin. Wenn in Marokko luxuriöse Bauprojekte geplant werden, die an den Reichtum der arabischen Erdöl-Emirate erinnern, ist in diesem armen Land vermutlich ein Schatz gefunden worden. Das Gold des Landes heißt Phosphor. Im Landesinneren wird Phosphat schon lange abgebaut, zum Schatz wurde es erst vor wenigen Jahren. Kostete die Tonne Phosphat 2006 noch durchschnittlich 44 US-Dollar, zahlte man im August 2008 bereits 430 US-Dollar.
Zeitgleich verdreifachten sich die Preise der wichtigsten Nahrungsmittel - Reis, Mais, Weizen und Sojabohnen. Den Zusammenhang sieht ein Biochemiker sofort: Ohne Phosphor kann kein Lebewesen seine Erbsubstanz aufbauen. Genau dieses Element ist auf der Erde aber eher knapp, weniger als 0,1 Prozent der Erdkruste bestehen daraus. Mit diesem Mangel kommen die Lebewesen seit Urzeiten gut zurecht, weil sie den benötigten Phosphor effektiv recyceln. "Im 19. Jahrhundert erkannte dann Justus von Liebig, dass man die Erträge steigern kann, wenn man den Ackerpflanzen mehr Phosphor zur Verfügung stellt", erklärt der Chemiker Günther Nausch, der am Leibniz-Institut für Ostseeforschung in Rostock-Warnemünde für die Nährstoffanalytik zuständig ist. Seit dieser Zeit düngen Bauern die Felder mit Phosphat (Salze der Phosphorsäure).
Von den 17,5 Millionen Tonnen Phosphor, die 2005 auf der Welt abgebaut wurden, wanderten 14 Millionen zu den Düngemittelherstellern. Das haben James Elser von der Arizona State University in Tempe (USA) und Elena Bennett von der McGill University im kanadischen Montreal ausgerechnet. Weil Phosphor aber auch ein sehr wichtiger Bestandteil von Knochen und Zähnen ist, wird ein Teil als Zusatz für Tierfutter verwendet. Phosphor macht auch Lebensmittel haltbar und wird zu Waschmitteln verarbeitet.
"Phosphor schwimmt zwar überall in geringen Konzentrationen in den Gewässern und steckt in den Böden", erklärt Nausch. Wirtschaftlich aber ist der Abbau nur an wenigen Orten. Ganze drei Länder kontrollieren 85 Prozent der Vorräte. Mit 47 Prozent liegt der größte Teil in Marokko. Weil diese Vorräte endlich sind und wohl nur noch wenige Jahrzehnte reichen, sind die Zusammenhänge zwischen 2006 und 2008 klar: Erst stieg der Preis für die Nahrung, dann wurde mehr angebaut, mehr Dünger benötigt und Phosphat wurde teurer.
Öl und Benzin lassen sich ersetzen - Autos fahren auch mit elektrischem Strom. Leben ohne Phosphor funktioniert dagegen nicht, ohne dieses Element gibt es weder Brot noch Butter.
Sparen allein genügt nicht
Engpässe können vermieden werden. So erreichen jährlich nur drei der 14 Millionen Tonnen Phosphor im Kunstdünger auch die Pflanzen. Der größte Teil verfehlt sein Ziel und wird etwa von den Niederschlägen aus den Böden in die Gewässer gewaschen. Gleichzeitig landen 30 bis 40 Prozent aller produzierten Nahrungsmittel auf den Müll, berichten Elser und Bennett. Eine Million Tonnen wird so verschwendet.
Sparen allein wird nicht genügen, Phosphor muss auch recycelt werden. So scheidet jeder Mensch am Tag rund 1,2 Gramm Phosphor aus, den er vorher mit der Nahrung aufgenommen hat. Weltweit kommen so jährlich satte drei Millionen Tonnen Phosphor zusammen, von denen gerade einmal zehn Prozent wiedergewonnen werden, so Elser und Bennett. Bisher wird etwa der aus den Abwässern entstehende Klärschlamm entweder deponiert oder verbrannt. Sowohl aus den Abwässern als auch aus der Asche könnte man Phosphor mit Hilfe billigen Magnesiums recyceln, berichtet Thomas Dockhorn von der Technischen Universität Braunschweig. Deutschland und Schweden wollen 60 Prozent des Phosphors aus den Abwässern holen. Weitere sieben Millionen Tonnen wandern im Mist und in den Exkrementen des Viehs in die Umwelt. Da der Weg zum nächsten Acker oft zu weit für eine Verwendung als Dünger ist, könnte man daraus besser Bioenergie gewinnen und dabei Phosphor aus den Abfällen fischen. Phosphor lässt sich also zwar nicht ersetzen, aber immerhin recyceln.