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Abwicklung in Grün

Von Martina Madner

Politik
Die Grünen in den Ländern wollen den Schuldenberg der Bundesgrünen abtragen.
© fotolia/Eisenhans

Die Grünen sind zuversichtlich, die Bundesorganisation mit Hilfe der Bundesländer und der Bank zu sanieren.


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Wien. Die Grünen im Parlament sind Geschichte. Zugegeben, sie sind es vorläufig - bis zu einem möglichen Wiedereinzug bei den nächsten Nationalratswahlen. Und sie sind es auch nur beinahe - da es mit vier grünen Bundesräten und Werner Kogler als Bundessprecher weiterhin Grüne auf Bundesebene gibt. Eines ist aber klar, die Schulden von Bundespartei und Parlamentsklub sind eines jedenfalls noch nicht: Geschichte.

Bundesgeschäftsführer Robert Luschnik bleibt beim Schuldenstand von rund fünf Millionen Euro, die Werner Kogler schon nach dem erweiterten Bundesvorstand bekanntgegeben hat. "Im Moment gibt es ganz intensive Gespräche mit den Grünen in den Bundesländern, aber auch der Bank, wie wir gemeinsam die Sanierung angehen." Eine rechtliche Verpflichtung der grünen Landesparteien, die Schulden der Bundesorganisation zu übernehmen oder dafür zu haften, gibt es nicht. "Das sind alles eigenständige Rechtspersönlichkeiten", sagt Luschnik. Aber: "Wir unterstützen uns in dieser schwierigen Situationen, der größten Krise der Grünen, natürlich gegenseitig."

Insolvenz einerPartei ist möglich

Bei den aktuellen Gesprächen Luschniks handelt es sich nicht um ein offizielles Insolvenzverfahren. Aber laut Gerhard M. Weinhofer, Geschäftsführer des Gläubigerschutzverbands Creditreform, ist eines möglich: "Parteien sind als juristische Persönlichkeiten insolvenzfähig." Der Insolvenzexperte des Gläubigerschutzverbandes KSV 1870, Alexander Klikovits, geht sogar von zwei Rechtspersönlichkeiten aus: Neben der Bundespartei stelle auch der Parlamentsklub eine solche dar. "Das ist zwar nicht so eindeutig wie bei der Partei geregelt. Da es aber ein Klubfinanzierungsgesetz gibt und der Klub Rechtsgeschäfte abschließen kann, muss er auch die rechtliche Haftung dafür übernehmen können."

Was bedeutet eine Insolvenz überhaupt? Ein Insolvenzverfahren kann beantragt werden, wenn eine juristische Person, wie zum Beispiel ein Unternehmen, ein Verein oder auch eine Partei, überschuldet oder zahlungsunfähig ist. Eine Überschuldung bedeutet, dass die Verbindlichkeiten höher als das Vermögen sind und es keine positive Fortbestandsprognose gibt. Zahlungsunfähigkeit liegt dann vor, wenn die fälligen Zahlungen nicht mehr geleistet werden können.

Eine Insolvenz kann von jedem Gläubiger beantragt werden. Sie muss aber auch vom Schuldner selbst innerhalb von 60 Tagen, ab dem die Zahlungsunfähigkeit festgestellt ist, beantragt werden.

Sanierung und Fortführung einer Organisation

In einem Insolvenzverfahren wird, grob gesagt, festgestellt, ob es verwertbares Vermögen, also Aktiva, gibt, die die Passiva, also die Schulden, vermindern. Es geht um die Frage, wie viel letztlich doch noch bezahlt werden kann und ob jemand für die Schulden haftet. Ein mögliches Ergebnis ist die Sanierung: Dabei muss der Schuldner eine Quote von mindestens 20 Prozent innerhalb von zwei Jahren bezahlen können. Und: "Die Gläubiger müssen dem Plan in doppelter Mehrheit zustimmen", sagt Weinhofer. Das bedeutet, dass einerseits die Mehrheit der in der Versammlung anwesenden Gläubiger zustimmen muss. Und diese andererseits zumindest 50 Prozent der Forderungen in Händen halten müssen.

Auch bei den Grünen gebe es neben der Bank noch andere Gläubiger. "Lieferanten von Werbemittel, Versicherungen, aber auch Mitarbeiter, falls Löhne und Gehälter nicht mehr ausbezahlt würden, könnten das sein", erläutert Weinhofer. Da noch andere Lösungen möglich und realistisch sind, will Luschnik keine näheren Auskünfte zu diesem hypothetischen Szenario machen.

Nach einer erfolgreichen Sanierung ist die juristische Person übrigens schuldenfrei und kann weitergeführt werden — die Gläubiger haben zumindest einen Teil ihrer Forderungen erhalten. Scheitert die Sanierung, kommt es zum Konkursverfahren. Mit einem Konkurs wird das Unternehmen oder die Organisation liquidiert.

All das ist bei den Grünen im Moment aber kein Thema: Schließlich bekannten sich die Bundesländer-Grünen beim erweiterten Bundesvorstand dazu, den Bundesorganisationen beizustehen. Außerdem könnten die Zahlungsziele der Grünen ausgedehnt werden oder sich die Schulden vermindern: durch Kleinspenden und neue Mitglieder, die laut Werner Kogler aktuell "zahlreich" eintrudeln. Es könnten aber auch Großspender gewonnen werden.

Der Politikwissenschafter und Parteienfinanzierungsexperte Hubert Sickinger räumt zwar ein, dass ein Konkurs zwar "rein rechtlich möglich ist. Wie vernünftig das ist, ist aber eine andere Frage." Sickinger beantwortet sie selbst mit einem "Unvernünftig". Der Grund: "Selbst wenn es keinen Haftungsdurchgriff auf die Länderorganisationen gibt, und das müsste man rechtlich erst mal feststellen, hat das Folgen. Wenn man die Bundespartei in den Konkurs schicken würde, betrifft das auch die Kreditwürdigkeit der Landesparteien."

Sickinger würde den Länderorganisationen der Grünen also davon abraten. Diese hätten heuer in Summe 12,6 Millionen Euro an Parteienförderung zur Verfügung. "Das stehen den Schulden von fünf Millionen Euro der Bundesorganisation als Aktiva gegenüber, von Überschuldung kann also keine Rede sein." Ein Insolvenzverfahren für ihre Bundesorganisationen wäre für die Grünen "ein hohes juristisches Risiko", sagt Sickinger. Aber nicht nur das: "Es wäre ein noch größeres politisches Risiko. Wie sollte man das den Wählern erklären?"

Der grüne Weg lautet solidarische Sanierung

Davon ist aber ohnehin keine Rede, auch bei den Landesgrünen nicht, obwohl es 2018 in vier Bundesländern Wahlen zu schlagen gilt: Niederösterreich, Tirol, Kärnten und Salzburg.

Helga Krismar, Spitzenkandidatin der Grünen Niederösterreich, hat bereits am 28. Jänner acht grüne Prozent zu verteidigen: "Wir haben vorausschauend 1,2 Millionen Euro für den Wahlkampf eingeplant." Verträge mit Dienstleistern seien bereits abgeschlossen. "Das ist für die Grünen zwar eine schwierige Phase, aber rein kaufmännisch ist das wirklich nicht das Drama."

Der Druck auf die Länderorganisationen sei eher ein politischer, denn ein finanzieller: "Anders als sonst werden alle Scheinwerfer mal auf uns gerichtet sein", sagt Krismer. Das gelte es nun zu nutzen: "Die Trauerphase ist bei uns einem Kampfgeist gewichen." Sie glaubt an eine konstruktive Lösung mit der Hausbank und den Ländern.

Davon geht übrigens auch Luschnik aus: "Wir sind ein großes, grünes Projekt. Wir werden das schaffen."