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In Izmir stellte der türkische Premier eine baldige Lösung für das geteilte Zypern in Aussicht - doch das Vertrauen darauf hat Grenzen.
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Vom alten Smyrna ist noch der Uhrturm geblieben. Eine Kirche, eine Moschee, Reste der Festung. Und Berichte über eine quirlige, offene, vielfältige Stadt, über einen dieser multiethnischen und -konfessionellen Orte, die entlang der Handelsrouten rund um das östliche Mittelmeer entstanden waren. Türken und Griechen lebten dort, aus Spanien vertriebene Juden siedelten sich an, die Armenier prägten das eine und die "Franken" genannten Europäer das andere Viertel. Doch dann zerfiel das Osmanische Reich, griechische und türkische Soldaten wüteten, und im September 1922 zerstörte ein Brand das alte Smyrna. Die Agonie der Stadt dauerte mehrere Tage, französische Schiffe brachten einige Europäer in Sicherheit, der Rest der Zivilbevölkerung wurde seinem Schicksal überlassen. Die Griechen, die überlebt haben, wurden später umgesiedelt. "Bevölkerungsaustausch" lautete der Euphemismus für die Vertreibungen der Griechen aus Kleinasien und der Türken aus Griechenland.
Izmir heute ist eine moderne Industrie-, Handels- und Universitätsstadt, eine der größten in der Türkei. In der Vorwoche trafen dort einander der türkische und der griechische Premier. Es ging um die Zusammenarbeit bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise, um gemeinsame Maßnahmen im Kampf gegen Schlepper, die Menschen über die Meeresengen zwischen den beiden Nachbarn nach Griechenland bringen. Aber auch um eine Insel, auf der vor gut vierzig Jahren ebenfalls ein "Bevölkerungsaustausch" stattgefunden hat. Als auf Zypern nach einem Putschversuch griechischer Nationalisten türkische Truppen im Norden des Landes einmarschierten, flohen die griechischen Zyprioten von dort in den Süden und die türkischen Zyprioten in die umgekehrte Richtung. Die Mittelmeerinsel, mittlerweile Mitglied der EU, ist bis heute geteilt; die Regierung in Ankara erkennt - anders als der Rest der Welt - nur die staatlichen Strukturen im Norden an.
In Izmir also saßen Ministerpräsident Ahmet Davutoglu und sein griechischer Amtskollege Alexis Tsipras zusammen und sprachen über die EU-Pläne zum Tausch von Flüchtlingen: Für einen aus Griechenland zurückgeschickten Syrer nehmen die Europäer einen syrischen Flüchtling aus der Türkei auf. Und über Zypern. Für die geteilte Insel sei eine Lösung in Reichweite, erklärte Davutoglu. Tatsächlich finden dort seit Monaten zwischen den Volksgruppenführern Gespräche über eine Wiedervereinigung statt, die produktiv wie seit Jahren nicht scheinen.
Doch die Entwicklungen in der benachbarten Türkei werden mit Sorge beobachtet. Die Kämpfe in Südostanatolien, das Vorgehen gegen nicht regierungskonforme Medien, die Attacken gegen Oppositionelle - mit solch einer autoritären Staatsführung will die EU Vereinbarungen treffen? Für den türkisch-zypriotischen Journalisten Sami ist das schlicht "eine Schande". Für die Insel, auf der er lebt, bedeute so eine Annäherung kaum etwas Gutes. Vielleicht werde die Türkei einen Hafen für zypriotische Schiffe öffnen, was seit Jahren von ihr verlangt wird. Vielleicht werde sie kurzfristig Entgegenkommen signalisieren. Aber, findet Sami: "Unter undemokratischen Bedingungen kann nichts Dauerhaftes entstehen."