Zum Hauptinhalt springen

Achillesferse der Globalisierung

Von Veronika Gasser

Wirtschaft

Steuerparadiese locken die Anleger. Doch nicht nur in der Karibik, auch mitten in Europa gibt es solche "Offshore-Zentren" der Finanz. Luxemburg, Liechtenstein, die Schweiz, aber auch Österreich bieten steuerschonende Kapitalflucht, kritisieren die Mitglieder von ATTAC, dem internationalen Netzwerk zur demokratischen Kontrolle der Finanzmärkte.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 23 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Steueroasen ziehen große Gewinne und Vermögen an, damit kann die Steuerpflicht einfach umgangen werden. "Zum Beispiel errichten multinationale Konzerne Briefkastenfirmen, über die sie ihre Gewinne und Handelsgeschäfte deklarieren", erklärt Christian Felber, Proponent von ATTAC. Insgesamt dürften weltweit mehr als 100 Bill. Schilling steuerschonend untergebracht sein.

Während die Steuern auf Arbeit stetig anwachsen, sinkt jener Beitrag, den sich der Staat bei Gewinnen und Vermögen holt, analysieren die Kritiker des Steuersystems: "In Österreich ist der Anteil der Vermögensteuern zur Staatsfinanzierung seit 1970 von 3,7% auf 1,3% geschrumpft - trotz deutlich gewachsener Vermögen." Laut EU-Kommission allerdings hat sich die Belastung des immobilen Faktors Arbeit zwischen 1980 und 1990 von 35% auf 42% erhöht. Und die kleinen Inseln der Steuerseligkeit hätten dieser Tendenz durch ihr "tax-dumping" Vorschub geleistet. Die fehlende Finanzaufsicht verleite dazu, hochriskante Geschäfte im Finanzparadies abzuwickeln. "Der spektakuläre Crash des LTCM-Hedge Fonds konnte nur mit Hilfe der US-Fed abgefedert werden", erinnert Felber. Sitz des Fonds waren die britischen Cayman-Inseln. Weiters können "schmutzige Einnahmen" aus Drogen-, Waffen- und Menschenhandel mangels Bankenaufsicht in aller Ruhe weiß gewaschen werden. "Die Offshore-Filialen der Banken sind Waschsalons für kriminelle Gelder von korrupten Diktatoren. Die Credit Suisse hat die Milliarden des nigerianischen Staatschefs Abacha bedenkenlos angenommen und an Banken wie Merrill Lynch, Citybank, Barclays oder Commerzbank weitergeleitet", erläutert Felber. Mit der Forderung nach einheitlicher Regulierung der Kapitalmärkte steht ATTAC nicht allein da: Die OECD startete eine Initiative gegen schädliche Steuerpraktiken, die BIZ (Bank für Internationalen Zahlungsausgleich) schuf ein Forum für Finanzmarktstabilität, die G7 starteten eine Initiative gegen Geldwäsche, und die EU bemüht sich um eine Harmonisierung der Zinsensteuer. "Die Steueroase Österreich ist bei diesen internationalen Verhandlungen auf der Bremse", kritisiert Felber.

Vor dem Finanzamt sind nicht alle gleich, lautet das Resümee von Hans Kohlmaier, Experte der Steuerinitiative im ÖGB. "Wer eine Stiftung hat, ist in Österreich besser bedient als der Durchschnitt." Dabei hätten wir mit einer gleich hohen Vermögenssteuer wie Finnland das Null-Defizit längst erreicht. Kohlmaier und Felber glauben, dass die Steuerfrage zum zentralen Schnittpunkt künfiger politischer Gestaltung wird: "Die Gesellschaft ist keineswegs in einer Finanzkrise."