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Achse mit Sollbruchstellen

Von Alexander Dworzak

Politik

Kanzler Kurz und die Innenminister von Deutschland und Italien demonstrieren beim EU-Außengrenzschutz Einigkeit.


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Berlin/Wien. Sebastian Kurz pflegte bereits gute Kontakte zur bayerischen CSU, da amtierte er noch lange nicht am Ballhausplatz. Betont herzlich war dementsprechend der Empfang beim deutschen Innenminister und früheren Ministerpräsidenten des Freistaates, Horst Seehofer. Kurz sagte, in schwierigen Zeiten der Schließung der Westbalkanroute habe er stets viel Unterstützung aus München erhalten - eine Spitze gegen Angela Merkel.

Nicht nur der atmosphärische Unterschied bei der Pressekonferenz am Mittwoch war im Vergleich zu Kurz’ Treffen mit der deutschen Kanzlerin tags zuvor deutlich. Während die beiden Regierungschefs routiniert ihre altbekannten Positionen in der Asylfrage abspulten, warteten Kurz und Seehofer mit einer Neuigkeit auf. Mit Italien solle eine "Achse der Willigen" gebildet werden, um "die illegale Migration weiter zu reduzieren", sagte Kurz. Italiens Innenminister Matteo Salvini habe Seehofer eine enge Kooperation zwischen den drei Ländern in den Bereichen Sicherheit, Terrorismus und Zuwanderung vorgeschlagen, erklärte der deutsche Innenminister. Mit Merkel sei der Schritt jedoch nicht abgesprochen gewesen, so ihr Sprecher. Die Kanzlerin forderte europäische Lösungen, auch mit Einbindung von Griechenland und Spanien.

Seehofers Alleingang passt ins Bild des Autoritätsverlustes Merkels. Sie liefert sich eine Auseinandersetzung mit Seehofer, ob Asylsuchende, die bereits in einem anderen EU-Land registriert worden sind, an der deutschen Grenze zurückgewiesen werden sollen. Auch diese Idee lancierte die CSU eigenmächtig. Merkel will hingegen auch hier eine europäische Lösung und fürchtet, der Druck würde nur von einem Land an das nächste weitergegeben. Leidtragender wäre zuletzt der Staat an der EU-Außengrenze. Das Thema hat sich zu einer veritablen Krise zwischen den Schwesterparteien CDU und CSU entwickelt. Wird das Vorhaben tatsächlich umgesetzt, wäre Österreich Hauptbetroffener. Ein Innenministeriumssprecher sagte zur APA, Österreich würde diese Personen dann weiter abschieben. Das wiederum sind schlechte Nachrichten für Italien.

Neuer Partner will alte Zeiten

Leicht können sich die drei Länder auf einen besseren Schutz der EU-Außengrenzen einigen. Beinahe wortgleich sagten Kurz und Seehofer, nicht die Schlepper dürften entscheiden, wer zuwandert. Sondern die Regierungen und Parlamente. Nach Italien kommen zwar infolge eines umstrittenen Deals mit Libyen - geschlossen von der sozialdemokratischen Vorgängerregierung - um 78 Prozent weniger Personen als 2017 über das Mittelmeer.

Rom fühlt sich aber von den anderen EU-Ländern im Stich gelassen. "Das Dubliner Asylabkommen muss überwunden werden", sagte Salvini. Dieses besagt, eine Person muss in jenem EU-Staat um Asyl ansuchen, den es zuerst betreten hat. Genau zu diesem Prinzip will Salvinis neuer Partner CSU zurückkehren. Seit Sommer 2015 werden Personen an deutschen Grenzen nur dann abgewiesen, wenn sie nicht über Ausweispapiere verfügen oder nicht Asyl in Deutschland beantragen wollen; in 7000 von 64.000 Fällen 2017. Damit nimmt Deutschland Druck von Ländern wie Italien. Im Gegensatz dazu verläuft die 2015 beschlossene Umsiedlung von 160.000 in Italien und Griechenland gelandeten Personen weiterhin schleppend.

Weiterer potenzieller Konflikt: Asylsuchende sollten automatisch auf die EU-Länder verteilt werden, sagte Italiens Premier Giuseppe Conte Anfang des Monats. Merkel könnte er dafür gewinnen, Kurz und Seehofer haben sich stets zurückhaltend gezeigt. Ganz zu schwiegen von Ländern wie Ungarn und Polen, die eine derartige Quotenregelung rundweg ablehnen.

Dementsprechend festgefahren sind die Verhandlungen über eine Reform der EU-Asylregelungen. Dass beim Gipfel der Staats- und Regierungschefs Ende des Monats eine Entscheidung fällt, ist zu bezweifeln. Österreich nimmt das Problem wohl in seinen EU-Ratsvorsitz ab 1. Juli mit. Das bisher zurückhaltend kommunizierte Thema Aufnahmezentren für abgelehnte Asylbewerber außerhalb der EU - womöglich in Albanien - könnte dann auf die Tagesordnung kommen.

Bereits jetzt legt sich Italiens Innenminister und geheimer Premier Salvini mit Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron an. Er kontert Macrons Kritik an Italiens Weigerung, das Schiff "Aquarius" der Hilfsorganisation SOS Mediterranée mit mehr als 600 Asylsuchenden an Bord in einen heimischen Hafen einlaufen zu lassen. Spanien erklärte sich dann dazu bereit. Salvini fordert eine Entschuldigung von Macron. Ansonsten würde Italiens Premier Giuseppe Conte den französischen Staatschef nicht wie geplant am Freitag treffen.