Das Parlament will mit einigen einfachen Untertanen reden. Vielleicht könnten sich diesmal die Parteiapparate zurückhalten.
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Oha, da bahnt sich eine kleine Revolution an: Erst wurde den österreichischen EU-Mandataren das Rederecht im Hohen Haus am Ring zugestanden - etwas, was manche ehemaligen Strippenzieher aus welchen Gründen auch immer jahrelang zu verhindern versuchten. Und jetzt werden auch noch einfache Staatsbürger, acht an der Zahl, eingeladen, an der parlamentarischen Enquete-Kommission zur "Stärkung der Demokratie" mitzuwirken. Dabei soll es um die "Aufwertung direktdemokratischer Instrumente und eine Modernisierung der parlamentarischen Abläufe" gehen, wie SPÖ-Klubchef Andreas Schieder am Dienstag erläuterte.
Dass die Parteien vom Dogma abrücken, dass sie selbst, und zwar ausschließlich sie selbst, am besten wissen, was für dieses Land und seine Bürger das Beste ist, darf getrost als lobenswerter Aufbruch in die Wirklichkeit gewertet werden. Sogar das Auswahlprozedere ist für Österreichs Verhältnisse geradezu revolutionär: Wer bei der Enquete mitmachen will, kann sich bis 24. Oktober über die Website des Parlaments (www.parlament.gv.at) bewerben. Die Kandidaten werden nach zwei Kriterien eingeteilt: männlich/weiblich sowie unter 35/über 35 Jahren. Aus diesen Töpfen werden sodann die Namen der acht Bewerber gezogen und am 26. Oktober, dem Nationalfeiertag, im Rahmen des "Tags der offenen Tür" bekanntgegeben.
Der bis dahin letzte Versuch der heimischen Parteien, die Bürger formal in Entscheidungs- und Beratungsgremien miteinzubeziehen, darf getrost als gescheitert gewertet werden. Beim Publikumsrat des ORF ist es SPÖ und ÖVP wie durch ein Wunder gelungen, fast ausschließlich parteinahe Vertreter zu entsenden.
Vielleicht gelingt es ja jetzt bei der Enquete, die versammelte Parteienlandschaft mit Meinungen zu konfrontieren, die nicht schon ohnehin vertreten sind. Es wär daher eine noble Geste, wenn sich für einmal die diversen Vorfeldorganisationen aller Parteien dazu entschließen könnten, ihren Mobilisierungsapparat in der Garage zu lassen.
Gerade wenn es um neue Formen der demokratischen Mitwirkung geht, hat sich in den letzten Jahren eine Vielzahl an Initiativen und Bewegungen entwickelt. Naturgemäß in Konfrontation zu den politischen Parteien, die in der repräsentativen Demokratie Takt, Ton und Stil der Politik vorgeben. Und eben weil diese Exklusivität mittlerweile von ziemlich vielen als unbefriedigend empfunden wird (offensichtlich auch von den Parteien selbst, die Entscheidung für die Demokratie-Enquete-Kommission am Dienstag beschlossen wurde, fiel einstimmig), ist das Nachdenken über sinnvolle direktdemokratische Ergänzungen in vollem Gang.
Enquete, Kommission, direkte Demokratie . . . das klingt alles furchtbar langweilig und technokratisch. Dahinter steckt jedoch - zumindest in der Theorie - die prinzipielle Chance, den Prozess einer wachsenden Entfremdung zwischen etablierter, organisierter Politik und ihren Bürgern wenigstens zu stoppen, ja vielleicht sogar den Trend umzukehren. Keine Frage: Hier geht es um heikle staatspolitische Entscheidungen. Ein mutiger Zugang wäre trotzdem wünschenswert.