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US-Präsident Barack Obama verbucht viele Erfolge - und noch viel mehr Rückschläge. Resümee zweier Amtsperioden.
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Washington/Wien. Mit dem Schlachtruf "Yes, we can!" hat Barack Obama 2008 das Weiße Haus im Sturm genommen. Der ambitionierte Senator wurde im In- und Ausland als Heilsbringer gefeiert, der einen Schlussstrich unter die trüben Bush-Jahre ziehen sollte. Acht Jahre später ist es für Obama Zeit, die Koffer zu packen und als Präsident in Pension zu gehen. Er hinterlässt ein Land, in dem Unzufriedenheit herrscht, in dem das "Trotzdem" oft die einzige Motivation ist, am 8. November wählen zu gehen.
Während ein großer Teil der Demokraten statt Hillary Clinton lieber den kompromisslosen Bernie Sanders ins Weiße Haus gehievt hätte, sind viele eingefleischte Republikaner angesichts der unsäglichen Performance Donald Trump ratlos. Die Nation und die gesamte Welt starren gebannt auf einen Rüpel, der keine Grenzen kennt, während die Meinungsforscher die erste weibliche Präsidentin der US-Geschichte prognostizieren. Obama selbst blickt mit gemischten Gefühlen zurück und mit Sorge in die Zukunft.
Er nutzt jede Gelegenheit, vor Trump zu warnen. Und er geht hart mit den Republikanern ins Gericht: Man habe nicht nur viel zu lange zugesehen, wie ein "völlig ungeeigneter Kandidat" seinen Weg nach oben mache. Trump stamme auch aus dem "Sumpf der Verrückten", den die Republikaner seit Jahrzehnten gefördert und gefüttert haben.
Saat der Propaganda-Lügen geht auf
Man muss nur wenige Jahre zurückgehen, um auf die Propaganda-Lügen der Konservativen zu stoßen, die das Terrain für Trump bereitet haben. So waren viele in abgelegenen Gebieten des Mittleren Westens nach Obamas Wahlsiegen ernsthaft der Ansicht, dass nun ein muslimischer Araber, der nicht einmal in den USA geboren worden wäre, im Weißen Haus Platz genommen habe. Derartiges wurde eifrig in diversen, von Ultrakonservativen betriebenen Medien verbreitet. Bei den beliebten Rodeos gehörte es nicht nur zum guten Ton, dass der Platzansager und das gesamte Publikum den "troops" im Felde die Ehre erwiesen, sondern auch, dass Obamas Gesundheitsreform mit den Ausscheidungsorganen von Stieren verglichen wurde.
Die US-Staatsbürgerschaft wurde Obama in Folge auch von Trump abgesprochen. Die sexistischen Bemerkungen, die Gerüchte, die der Immobilien-Tycoon streut, kommen alle ursprünglich aus der radikalen Anti-Obama-Bewegung. Es ist traurige Gewissheit, dass sich weite Teile der US-Gesellschaft nie damit abfinden konnten, dass nun ein afroamerikanischer Demokrat das Ruder übernommen haben soll. Für viele Unzufriedene war die Amtsübernahme das untrügliche Zeichen für einen fortgeschrittenen kulturellen Verfall, für einen Zersetzungsprozess, der mit allen Mitteln aufgehalten werden muss. Nur eine radikale Wende, vielmehr eine Umkehr könne dafür sorgen, dass die USA wieder "great" werden.
Die konservative Antwort auf Obama war zunächst die Tea-Party-Bewegung. Dem progressiven Weltbild des Demokraten wurde ein Gemisch aus Neoliberalismus und Bigotterie entgegengesetzt; die Bewegung entwickelte ein Eigenleben, das der etablierten republikanischen Partei Konkurrenz machte und zunehmend Probleme bereitete. Hier waren erste Ansätze jener republikanischen Spaltung zu erkennen, die mit der Person Trump ihren Höhepunkt erreicht. Dann verlegten sich die im Kongress erstarkenden Konservativen darauf, in Fundamentalopposition zu gehen und jede Initiative Obamas im Keim zu ersticken. Im letzten Jahr seiner Amtszeit hatte Obama weder im Repräsentantenhaus noch im Senat eine Mehrheit. Im September setzte sich der Kongress über ein Veto Obamas hinweg - die größte Schlappe, die einem US-Präsidenten widerfahren kann.
Rassistische Statements sind in den USA des Jahres 2016 offiziell verpönt, unterschwelliger Hass auf Schwarze und die Abwertung von Frauen haben aber immer noch System - das fördert das Phänomen Trump deutlich zutage. Die Rassentrennung ist zudem immer noch soziologische Realität. Seit im Jahr 1992 der Klassiker "Two Nations: Black an White, Separate, Hostile, Unequal" erschienen ist, hat sich substanziell nicht viel zum Besseren gewendet.
Rassenkonflikt tobt heftiger denn je
Die achtjährige Amtszeit Barack Obamas haben sich die Rassenkonflikte in den USA verstärkt. Obama wollte ein Versöhner sein, doch die tödlichen Polizeieinsätze gegen Schwarze zeugen von seinem Misserfolg. Sie lösen regelmäßig wütende Proteste aus. Gewaltakte wie der tödliche Anschlag auf eine Gemeinde von Afroamerikanern in Charleston oder die Ermordung von Polizisten durch einen Heckenschützen in Dallas senden Schockwellen durch das Land.
Was den scheidenden US-Präsidenten schwer getroffen hat - er hat das öfter als einmal in öffentlichen Ansprachen betont -, ist der Umstand, dass es ihm nicht gelungen ist, die ultraliberalen Waffengesetze zu verschärfen. Gebetsmühlenartig wies er nach jedem Amoklauf auf diese Notwendigkeit hin, doch konnte sich die Waffenlobby im Land der Cowboys stets durchsetzen.
Ein weiteres Debakel erlitt Obama mit seinem Versuch, rund vier Millionen illegalen Einwanderern ein Aufenthaltsrecht zu geben. Sein Dekret wurde vom Obersten Gericht abgeblockt.
Eine umfassende Reform des ineffizienten Gesundheitswesens, Obamas zentrales Versprechen im Wahlkampfjahr 2008, ist zumindest grundsätzlich geglückt. Die verpflichtende Krankenversicherung für alle US-Amerikaner durchzuboxen kostete Zeit und Nerven. Gegen den hartnäckigen Widerstand der Republikaner gelang es Obama, das Werk, das von New-Deal-Präsident Franklin Delano Roosevelt in den 30er Jahren begonnen worden war, zu vollenden. Es gibt nun eine allgemeine Krankenversicherung, obwohl immer noch nicht jeder US-Bürger erfasst ist. Rund elf Millionen Menschen sind inzwischen über "Obamacare" versichert.
Das System sieht sich immer noch massiven Anfeindungen gegenüber, einige große private Versicherer haben sich ganz oder teilweise daraus zurückgezogen.
Mit dem Slogan "It’s the economy, stupid" hebelte Bill Clinton 1992 den republikanischen Präsidenten George Bush senior aus dem Amt. Heute, 2016, steht die US-Wirtschaft gar nicht so schlecht da. Vor allem, wenn man sich vor Augen führt, dass Obama das Land 2009 und damit in der schlimmsten Wirtschaftskrise seit 70 Jahren übernommen hat. Er lancierte ein gigantisches Konjunkturprogramm im Umfang von fast 800 Milliarden Dollar und bewahrte die US-Autoindustrie mit Staatshilfen vor der Pleite. Obama senkte die Arbeitslosenrate und schränkte die Macht der Wall Street per Gesetz ein. Insgesamt ist die US-Wirtschaft gut aus der Krise herausgekommen, auch wenn das Wachstum zuletzt an Schwung verloren hat.
Die USA büßen an außenpolitischer Relevanz ein
Die außenpolitische Bilanz des scheidenden Präsidenten fällt gemischt aus. Das Versprechen, Guantanamo zu schließen, konnte er nicht völlig wahr machen. Immerhin schaffte er die Folter in jeder Form ab - geht es nach Donald Trump, ein schwerer Fehler. Als Obama 2009 ins Weiße Haus einzog, waren die USA immer noch in einen blutigen Militäreinsatz im Irak und in Afghanistan verwickelt. Ein Erbe, das Obama von seinem Vorgänger George W. Bush übernahm. Der Demokrat erfüllte das Versprechen, die GIs fast zur Gänze aus dem Irak und Afghanistan abzuziehen.
Die globalen Probleme sind dadurch nicht weniger geworden. Im Irak und in Syrien setzte sich die Terrormiliz "Islamischer Staat" fest, der nun blutig vertrieben werden muss. In Afghanistan kontrollieren die Taliban wieder weite Landstriche. Die Lehre aus den Kriegserfahrungen nach 2001 war, dass es künftig keine "boots on the ground", keine US-Bodentruppen auf internationalen Kriegsschauplätzen mehr geben sollte. Das tödliche Geschäft übernahmen nun Drohnen, was den USA viel internationale Kritik eingebracht hat. Dazu kommt, dass Obama im Syrien-Krieg eine unentschlossene Haltung an den Tag legte. Etwa, indem er zuerst "rote Linien", nämlich den Einsatz von Giftgas, zog, dann aber nicht entsprechend reagierte. Eine Folge dieser Politik ist, dass Russland in das entstandene sicherheitspolitische Vakuum stieß und den USA jetzt als "zweite Supermacht" weltweit Konkurrenz macht. Das Verhältnis zu Russland ist an einem historischen Tiefpunkt angelangt.
Immerhin: Auf der Habenseite des scheidenden Präsidenten steht der Atomdeal mit dem Iran. Unter dem Druck scharfer Wirtschaftssanktionen kam das Abkommen zur Begrenzung des Atomprogramms zustande. Und Obama nahm nach jahrzehntelanger Eiszeit die diplomatischen Beziehungen zum früheren Erzfeind Kuba wieder auf.