"Rücktritt stand nie zur Debatte." | Kassen durch Einsparungen sanieren. | Wien. Andrea Kdolsky war im abgelaufenen Jahr wahrlich nicht zu beneiden - auch wenn Politiker nicht gerade zu den benachteiligten Arten in diesem Land zählen. Aber dennoch: Gestartet ist die Gesundheits- und Familienministerin vor einem Jahr als lebendiger Gegenbeweis, dass Schwarze nicht nur im Keller lachen. Als pralles Leben mit allzu menschlichem Hang zu ungesunder Lebensweise wurde sie vom Boulevard an die Spitze der Beliebtheitsrankings gehievt.
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Der Absturz ließ nicht lange auf sich warten. Mit ihrem Privatleben und der Debatte um Rückforderungen beim Kindergeld hat Kdolsky "das Sommerloch fast im Alleingang gefüllt", wie sie am Dienstag bei einem Hintergrundgespräch eingestand. Kdolsky: "Es war eine Achterbahnfahrt." "Aber an Rücktritt", darauf legt sie Wert, "habe sie keinen Augenblick gedacht". Auch in der ÖVP-Führung "war davon nie die Rede".
2008 will die Medizinerin wieder mit Sachpolitik von sich reden machen. Ganz oben auf der Agenda:
ein neuer Anlauf beim Raucherschutzgesetz,
eine Reform des Jugendwohlfahrtsgesetzes,
Verbesserungen beim Mitarbeiterschutz in kleineren und mittleren Unternehmen sowie
die finanzielle Sanierung der Krankenkassen.
Zumindest bei Nichtraucherschutz und Kassensanierung läuft die Ministerin allerdings Gefahr, Schiffbruch zu erleiden. So beharrt sie darauf, dass Lokale mit weniger als 75 m² Fläche Wahlfreiheit haben sollen (größere Lokale müssen Raucher und Nichtraucher räumlich fix trennen). Genau daran ist aber eine Einigung mit der SPÖ im Vorjahr gescheitert. Ein Kompromiss ist da schwer möglich.
Das ist jedoch nichts im Vergleich zur geradezu herkulischen Aufgabe, das Gesundheitssystem auf finanziell sichere Beine zu stellen. Daran haben sich noch alle Amtsträger die Zähne ausgebissen - weshalb Kdolsky vorsorglich alle Beteiligten mit den Worten "ich bin nur ein Teil des Ganzen" in die Pflicht nimmt. Als da wären: Kanzler, Finanzminister, Länder, Gemeinden, Hauptverband und Ärzteschaft. "Es müssen von all denen, die in den letzten Jahrzehnten Machtstrukturen an sich gerissen haben, Abstriche gemacht werden." Die Ärzte dürfen sich angesprochen fühlen - und werden sich zu wehren wissen, wie der Kampf um die Versorgungszentren im Herbst bewies.
Was zur Sanierung der Gebietskrankenkassen geplant ist, darüber hüllte sie sich am Dienstag in Schweigen. Es sei nun einmal Verschwiegenheit aller Beteiligten vereinbart worden. Aber Arbeitsgruppen würden bereits an einem Maßnahmenpaket arbeiten. Bis Ende Jänner soll eine Lösung stehen. Ein großer Wurf, nämlich die duale Finanzierung in einer Hand, bedürfe mindestens zweier, dreier Jahre.
Einfach mehr Geld in das bestehende System hineinzupumpen, davon will die Ministerin nichts wissen, immerhin würden jährlich 26 Milliarden Euro hineinfließen. Viel lieber würde Kdolsky stattdessen jenes "ungeheure Potenzial" an Einsparmöglichkeiten heben, das Gesundheitsökonomen und Rechnungshof im System versteckt vermuten. Dazu müsste man allerdings den unausweichlichen Machtkampf mit den Profiteuren des Systems gewinnen. Und das ist, wie Kdolsky im abgelaufenen Jahr am eigenen Leib erfahren musste, alles andere als sicher. Vielmehr droht ihr eine neuerliche Achterbahnfahrt.