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Die britische "Times" hat 140 Universitäten des Landes die neue Gretchenfrage im akademischen Leben gestellt: Wie halten Sie es mit Trigger-Warnungen? Dies sind ganz allgemein Alarmierungen, die Leser, Hörer, Zuseher, etc. darauf hinweisen, dass etwas möglicherweise Traumatisierendes in Buch, Film, Song etc. vorkommen kann. In britischen Universitäten sind laut dieser Umfrage bereits rund 1.000 literarische Werke mit einer Trigger-Warnung versehen. Manche wurden gar aus Leselisten entfernt.
Verlässlich hat dieser Artikel für Aufregung gesorgt. Warum? Wenn Epilepsie-Kranke im Theater vor Stroboskopie-Effekten gewarnt werden, schockt das ja auch keinen. Vielleicht liegt es daran, dass es um Universitäten geht. Die gemeinhin dafür stehen, Wissen und selbstständiges Denken zu vermitteln. Und in denen man Studierende erwartet, die nicht aus einem luftleeren Raum der Unanstößigkeit kommen, denen Allgemeinwissen ein Anliegen ist und die sich - zumal als Literaturstudenten - eventuell sogar eigenständig aus einem Klappentext zusammenreimen können, ob ein Buch für ihre psychische Verfassung geeignet ist oder nicht.
Und vielleicht liegt es daran, dass es ein Unbehagen hinterlässt, wenn die Obsession auf Details das Verständnis des großen Ganzen verhindern. Anders ist nicht zu verstehen, warum Colson Whiteheads "Underground Railroad", eine zutiefst literarische und zutiefst erschütternde Fiktionalisierung von Sklaverei und Flucht, wegen ihrer Gewaltdarstellungen von einer Leseliste geflogen ist.