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Kaum Zweifel, dass das Regelwerk nach Protesten zu Fall gebracht wird.
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Straßburg/Wien. Das Anti-Piraterie-Abkommen Acta wird heute, Mittwoch, im Europäischen Parlament zur Abstimmung gebracht. Am Ausgang zweifelt niemand: Nachdem die zuständigen Ausschüsse sich alle dagegen ausgesprochen haben, wird ein Abschmettern des Abkommens erwartet, gegen das zigtausende Menschen rund um den Globus protestiert haben. Eine Entscheidung, die in der ganzen Welt widerhallen wird.
Die EU hat gemeinsam mit den USA das Anti-Counterfeiting Trade Agreement (deutsch Anti-Fälschungs-Handelsabkommen) betrieben und schließlich mit Staaten wie Kanada, Australien, Japan oder Mexiko vereinbart. Acta sollte einheitliche Regelungen festgelegen, wie Geschädigte von Urheberrechtsverletzungen reagieren können. Mit der EU würde ein maßgeblicher Mitspieler in dem Abkommen wegfallen.
Kritiker, unter ihnen die unabhängige Europäische Datenschutzbehörde (EDBS), fürchten durch Acta Eingriffe in die Grundrechte. Im Falle einer falschen Anwendung könnte Acta "eine breit angelegte Überwachung des Verhaltens und der Kommunikation von Nutzern beinhalten", warnte die EDSB.
Doch die massenwirksame Furcht betrifft das illegale Herunterladen im Internet. Das Horror-Szenario, das die Acta-Kritiker beunruhigt, trat in den USA im Jahr 2010 ein. Jamie Thomas-Rasset wurde für den Download von 24 Songs zu einer Zahlung von 1,92 Millionen Dollar verurteilt. Die vorgesehenen Strafzahlungen könnten horrende Ausmaße annehmen, geben Kritiker zu bedenken. Sie könnten nach der Höhe des von der Musikindustrie empfohlenen Verkaufspreises berechnet werden. Eine andere Variante: Der entstandene Schaden wird in Höhe des dem Rechteinhaber entgangenen Umsatzes berechnet.
<br style="font-weight: bold;" /> Antipiraterie: "Rechtslage ändert sich nicht"
Beim Verein für Antipiraterie der Film- und Videobranche (VAP) kann man die Aufregung nicht nachvollziehen und bedauert die drohende Ablehnung von Acta. Der ständige Vertreter des VAP, Rechtsanwalt Andreas Manak, gibt zu bedenken, dass Acta an der bestehenden Rechtslage nichts geändert hätte: "Es geht immer nur um internationale Rechtshilfe." Laut geltender Rechtslage drohen in Österreich im Falle einer gewerblichen Urheberrechtsverletzung bis zu zwei Jahre Haft. "Das ist nichts Neues und nichts Skandalöses." An Möglichkeiten zur Ausforschung hätte Acta nichts geändert. Internetprovider fürchten dennoch, dass das Abkommen sie zwingen könnte, ihre Kunden und deren Kommunikationsinhalte zu überwachen, um nicht für Urheberrechtsverletzungen haften zu müssen. "Wir wollen keine Hilfssheriffs sein", erklärte Maximilian Schubert, Generalsekretär der Ispa, der Dachorganisation der österreichischen Internetwirtschaft. Sollte Acta in Kraft treten, könnte den Providern die Rolle einer "Netzpolizei" zufallen, fürchtet er. Explizit steht dies allerdings nicht in Acta.
Genau das ist es, was vielen Angst macht. Wegen mangelnder Ausführungen empfahl der britische Labour-Abgeordnete David Martin seinen Kollegen im EU-Parlament, Acta abzulehnen. "In diesem Fall steckt der Teufel im Mangel des Details. Ein vager Text ist gefährlich." Sollte das Abkommen falsch ausgelegt werden, so fürchtet er, würde Acta zur Kriminalisierung privater Internet-Nutzer führen.
Dass es dazu nicht kommt, war auch eine der Hauptsorgen bei der ÖVP-Delegation im EU-Parlament. Daher möchte man das Urteil des EuGH abwarten, um vor einer Entscheidung alle Fakten auf dem Tisch zu haben, erklärte Geschäftsführerin Elisabeth Köstinger. Während Punkte wie der Passus des "gewerblichen Ausmaßes" strittig gewesen seien, gebe es auch schlichtweg falsche Kritik. Etwa, wenn davor gewarnt werde, dass künftig das Rezept für Tofu-Huhn nicht mehr nachgekocht werden dürfe. Solche Fälle seien vom Urheberrecht ausgenommen. Die österreichischen EVP-Abgeordneten wollen sich der Stimme enthalten. Doch selbst wenn Acta im Parlament zu Fall gebracht wird, könnte letztlich die Symbolik der Pragmatik erliegen. Denn wie vom zuständigen EU-Handelskommissar Karel de Gucht bereits kommuniziert wurde, werde im Falle einer Ablehnung das Abkommen eben den nationalen Weg gehen und mit den 22 willigen Mitgliedstaaten, die Acta bereits unterschrieben, wenn auch noch nicht ratifiziert haben, abgeschlossen – unter ihnen Österreich.