Eine Ära geht zu Ende: Die Zigarre mit Tradition, die Wiener Virginier, wird nicht mehr hergestellt. Austria Tabak rechtfertigt die Einstellung mit zu wenig Umsatz. Ein Nachruf.
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Nun ist es Gewissheit, die Austria Tabak hat es am Mittwoch bestätigt: Es gibt keine Virginier mehr. Als langjähriger Virginier-Raucher stehe ich jetzt vor einer Lebensentscheidung: Aufhören mit dem liebgewonnen Laster oder auf ein neues Produkt umsteigen.
Einige Anmerkungen zur Virginier-Zigarre, einem Produkt, das seit dem späteren 19. Jahrhundert aus der Monarchie bekannt ist und als eines der Versatzstücke österreichischer Identität gilt. "Jö, mein Großvater hat auch Virginier geraucht" bekommt man immer wieder zu hören oder "das macht einen gemütlichen Eindruck", "der Rauch ist angenehm". Natürlich gibt es auch weniger schmeichelhafte Kommentare.
Faktum ist aber, dass die charakteristische, gerade, etwa 20 Zentimeter lange, schlanke Zigarre ohne öffentliche Kenntnisnahme verschieden ist. Bisher gab es die Virginier in drei Versionen, die Jubiläums-Virginier, eine Luxus-Ausgabe, die ein eher trauriges Ladenhüter-Dasein fristete, die Spezial-Virginier aus etwas dunklerem Virginia-Tabak aus heimischer Produktion mit einem Mundstück aus Stroh, das das Problem dieser Zigarre war. Der Strohhalm deformiert sich beim Rauchen und plötzlich hat man etwas Unangenehmes im Mund, das der Zigarre keinen Halt mehr gibt und den Genuss des Rauchens schmälert.
Und schließlich die Regie-Virginier, die gemeine, gewöhnliche Virginia, die Virginia ordinaria wie sie Linné zweifellos genannt hätte, wäre sie ein botanisches Subjekt gewesen. Sie ist es, die weithin als "die Virginia", Virginier ist die Mehrzahl, bekannt ist und gerade vom Markt genommen wurde. Ganz heimlich, still und leise.
Warum man dieses Produkt eingestellt hat, muss einem erst erklärt werden. Aber was soll man von einem Betrieb erwarten, der unter großkoalitionären Verhältnissen in den 90er Jahren "privatisiert", sprich verschleudert wurde und zunächst an einen englischen Konzern verhökert wurde, der ihn flugs an Japaner weiter verscherbelte, die sich wiederum ihrerseits von diesem Erwerb trennen wollen.
Vor einigen Jahren hatte ich ein interessantes Gespräch mit dem damaligen Bürgermeister von Fürstenfeld und sprach ihn auf das nahe gelegene Werk der Austria-Tabak, damals noch staatsnaher Betrieb, an. Er sprach voller Stolz von diesem Musterbetrieb, das hunderten Oststeirern Arbeit und Brot gab und darüber hinaus österreichischen Tabak verarbeitete. Mit dem Verkauf an die Engländer und dem Auslaufen der befristeten Beschäftigungsgarantie ist es heute still um dieses Werk. Aber was will man von japanischen Aktionären und Managern erwarten? Etwa dass sie dafür sorgen, dass es in Österreich für Jahrzehnte Grieskoch und Powidltascherln gibt? Wohl kaum.
Ich habe für mich die Antwort schweren Herzens gefunden: Ich entscheide mich für die Gesundheit und werde nach Verbrauch der Restbestände an Regie Virginier mit dem Rauchen aufhören und dafür ein Sparschwein täglich mit dem Betrag einer Schachtel fiktiver Virginier füttern.
Das Mosaik der österreichischen Eigenart wird um einen Stein ärmer sein.
Der Autor ist Geschäftsführer zweier Vereine zur Förderung
der Gesundheit.