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Adieu Elitenprojekt

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
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Der allgegenwärtige Ruf nach mehr Demokratie, nach mehr Mitsprache ist längst zu allgegenwärtig, als dass man ihn für sich so stehen lassen könnte. So einfach lässt sich das Problem mangelnder Akzeptanz von politischen Zuständen, Entscheidungen und Akteuren durch die Bürger nicht wegmoderieren. Weder in Österreich noch in Europa. Das gilt auch für den jüngsten Richterspruch aus Karlsruhe, der ein stärkeres Mitspracherecht des nationalen Parlaments bei der Rettung des Euro der deutschen Regierung ins Pflichtenheft schreibt.

Was aber, wenn sich ein Parlament standhaft weigert, dieses so entscheidende Thema mit der notwendigen Ernsthaftigkeit zu debattieren? Was aber, wenn ein Parlament gar nicht über die fachlichen Qualifikationen verfügt, eine solch hochkomplexe Frage inhaltlich zu entscheiden? Nur so als Beispiel: Der österreichische Nationalrat verfügt nicht einmal über einen eigenen wissenschaftlichen Apparat; über Fachexpertise verfügen fast ausschließlich die Ministerien und die den Parteien vorgelagerten Interessenvertretungen.

In der schönen Theorie entscheidet jeder Mandatar frei von äußerem Druck, nur seinem eigenen Gewissen und den Interessen seiner Wähler verpflichtet. In der traurigen Praxis halten sich die p.t. Abgeordneten an die Vorgaben ihrer Parteispitze, die entweder nach den Zwängen der Regierungsverantwortung oder aber nach Vorgabe der jeweiligen Parteitaktik die Hand heben. Letzteres schließt zwar ein Abstimmungsverhalten im Sinne eines diskursiv ermittelten Allgemeinwohls nicht grundsätzlich aus, wahrscheinlicher wird es aber auch nicht wirklich.

Das Kernproblem ist: Europas bisheriger Integrationsprozess wurde als Elitenprojekt vorangetrieben; die Bürger wurden, wenn überhaupt, allenfalls um Akklamation der erfolgten Zwischenschritte gebeten. Mittlerweile allerdings sind der Einfluss und die Wirkmächtigkeit der Union auf das alltägliche Leben der Menschen so unübersehbar geworden, sodass diese mehr Mitsprache einfordern. Die Euro-Krise hat dieses Bedürfnis nur dringlicher gemacht, sie hat es nicht ursächlich hervorgerufen.

Doch darauf sind - trotz gegenteiliger Lippenbekenntnisse - weder die nationalen noch die europäischen Institutionen wirklich vorbereitet. Das sollte man bedenken, wenn allerorts der Ruf nach mehr Demokratie in europäischen Angelegenheiten erschallt.