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"Admiral Zero" hat nie bereut

Von Ines Scholz

Politik
Junta-Admiral Massera nach seiner Freilassung 1990. "Es war ein fairer Krieg" mit 30.000 toten Zivilisten. Foto: reu

Junta-Scherge leitete berüchtigtes Foltergefängis Esma. | 30.000 starben bei Vernichtungskrieg gegen die Linksopposition. | Buenos Aires/Wien. Sein Name stand für eine der brutalsten Militärdiktaturen nach dem Zweiten Weltkrieg. 30.000 vorwiegend linksorientierte Regimekritiker hatte Argentiniens Militärjunta zwischen 1976 und 1983 ermordet. Einer der berüchtigtsten Vertreter, Emilio Massera, starb am Montag im Alter von 85 Jahren an einer Gehirnblutung ein einem Krankenhaus in Buenos Aires. Bereut hatte er seine Taten nie. Und trotz der brutalen Menschenrechtsverletzungen, die der Ex-Marinechef begangen hat, war er bis zuletzt in Freiheit.


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Zwar war der einstige Admiral nach dem Sturz der Junta im Jahr 1985 wegen Mordes, Entführung und Folter zu lebenslanger Haft verurteilt worden, doch nach vier Jahren war er wieder frei. Zu verdanken hatte er dies Ex-Präsident Carlos Menem. Der mit der Drogenmaffia und dem Organisierten Verbrechen eng vernetzte Rechtspolitiker hatte im Jahr 1990 ein Amnestiegesetz durchgesetzt, das sämtliche Militärangehörige vor Strafverfolgung schützte. Auch Juntachef Jorge Videla und die Nummer Drei in der Hierarchie, Orlando Agost, profitierten von dem Amnestiegesetz.

1998 ordnete ein Richter erneut die Verhaftung Masseras an. Diesmal lautete der Vorwurf auf Kindesentführung. Geklagt hatten die Angehörigen zweier Frauen, die in dem berüchtigten Foltergefängnis der Junta, der Marineingenieurschule Esma, vor ihrer Ermordung zwei Kinder auf die Welt gebracht hatten. Die Säuglinge wurden nicht der Familie, sondern Sympathisanten der Militärjunta zur Adoption ausgehändigt - eine übliche Praxis der Juntaschergen. Eines der Neugeborenen erhielt laut der Anklage ein enger Mitarbeiter von Massera. Zur Verurteilung kam es aber nicht: Ein ärztliches Attest bescheinigte ihm Senilität - Massera konnte das Gericht als freier Mann wieder verlassen. Als der kürzlich verstorbene Linkspräsident Nestor Kirchner gleich nach seiner Amtseinführung 2003 die Amnestiegesetze wieder aufheben ließ, keimte unter den Angehörigen der Opfer der Militärdiktatur ein letztes Mal die Hoffnung auf, den greisen Massera für seine Menschenrechtsvergehen hinter Gitter zu bringen. 2007 wurde die Aufhebung seiner lebenslänglichen Haftstrafe 17 Jahre zuvor als nicht verfassungskonform deklariert. Doch die Nummer zwei des einstigen Putschregimes entzog sich auch diesmal mit Verweis auf das Ärztegutachten der Justiz.

Grenzenloses Grauen

Ziel der Junta, die sich am 24. März 1976 gegen die Regierung von Isabel Peron an die Macht geputscht hatte, war die physische Vernichtung der linken Opposition im Land, da die Militärs bei die Durchsetzung ihres neoliberalen Wirtschaftsmodells massiven Widerstand befüchtet hatte. Zunächst wurden bewaffnete Linksaktivisten verhaftet, die für Attentate auf rechtsperonistische Funktionäre und Spitzenmanager multinationaler Unternehmen verantwortlich gemacht wurden, doch schon bald verschwanden im Namen der "Wiederherstellung der Staatsordnung" auch die, die den Verfolgten Unterschlupf boten, Gewerkschafter, Menschenrechtler, und kritische Journalisten spurlos. Sie wurden auf der Straße oder in ihren Häusern verschleppt und in Geheimgefängnisse gebracht, wo sie oft wochenlang gefoltert wurden, um aus ihnen Informationen herauszupressen. Frauen wurden von Wärtern gezwungen, Beischlaf mit Hunden zu haben. Um Gefangene zum Reden zu bringen, dämpfte man auf ihren kleinen Kinder Zigaretten aus. Elektroschocks gehörten zum Standardrepertoire. Die Grausamkeit kannte keine Grenzen. Besonders berüchtigt war die Marineingenieurschule Esma in Buenos Aires. Sie diente als Hauptfolterlager der Junta. 4000 Menschen sollen allein dort zu Tode gefoltert worden sein. Ihr Chef war - Massera. "Admiral Zero" nannten ihn seine Kollegen. Er ließ kaum wen lebend davonkommen. Nach den Torturen wurden die Opfer in Massengräbern verscharrt oder aus Militärhubschraubern aus ins Meer geworfen. 30.000 Argentinier überlebten den "Schmutzigen Krieg" der mächtigen Militärs nicht. "Niemand hat sich dafür zu verteidigen, dass er einen fairen Krieg gewonnen hat", rechtfertigte Massera die Verbrechen der Junta gegen die Zivilbevölkerung.