Kinofans gibt es auch im Tierreich. Es muss aber der richtige Film laufen.
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Berlin. Was macht einen guten Film aus? Lieber etwas Ruhiges oder krachende Action? Eine konfliktgeladene Handlung oder eine erotische? Würde am Sonntag eine tierische Jury über die Verleihung der diesjährigen Oscars entscheiden, gäbe es zu solchen Fragen wohl einigen Streit. Zwar haben etliche Studien nachgewiesen, dass sich manche Arten für Filme interessieren. Doch ähnlich wie unter menschlichen Kinofans gibt es auch im Tierreich unterschiedliche Ansichten darüber, wo sich das Zuschauen lohnt und wo nicht.
So ist der Oscar-gekrönte Kassenschlager "König der Löwen" bei einem Publikum von Südlichen Schweinsaffen durchgefallen. Ein Team um Grace Lee vom National Primate Research Center der University of Washington hat zwei männlichen Tieren zwei Mal pro Woche die erste halbe Stunde des Disney-Films vorgeführt - und wenig Begeisterung geerntet. Zwar schauten die Affen anfangs länger auf die bewegten Bilder als auf den ausgeschalteten Bildschirm. Doch das Interesse ließ schnell nach. Schon bei der vierten Sitzung verfolgten die Tiere die Handlung nur mehr eine halbe Minute lang.
Videos gegen Fadesse
Das könnte natürlich daran liegen, dass sie nicht immer wieder denselben Streifen sehen wollen. Die Forscher halten es aber auch für möglich, dass Schweinsaffen in Zeichentrickfilmen nur bunte, bewegte Formen erkennen, die ihnen schnell langweilig werden. In diesem Fall könnte eine Handlung mit echten Artgenossen mehr Erfolg haben. Bei anderen Arten funktioniert dieses Strickmuster nämlich. Margaret Maloney vom Tierpark "Disney’s Animal Kingdom" in Florida und ihre Kollegen haben die cineastischen Vorlieben von Westlichen Flachlandgorillas getestet. Das Publikum bestand aus vier erwachsenen Männchen, den sogenannten Silberrücken. Drei davon interessierten sich mehr für Filme mit Artgenossen als für solche mit Menschen in den Hauptrollen und wurden diese Streifen auch nie leid. Nach Ansicht der Forscher könnten sich solche Videos durchaus als Unterhaltungsprogramm für Gorillas eignen - etwa, um bei Krankheit die Langeweile zu vertreiben.
Allerdings kamen auch die Gorilla-Filme nicht alle gleich gut an. Solche mit männlichen und weiblichen Darstellern stießen zum Beispiel auf größeres Interesse als reine Männerveranstaltungen. Besonders lange schauten die Tiere zu, wenn eine gemischte Gruppe Konflikte austrug, anstatt nur entspannt herumzuhängen: Silberrücken sind also offenbar Action-Fans. Anstecken lassen sie sich vom Geschehen auf dem Bildschirm aber nicht. In dem Versuch wurde keiner der haarigen Zuschauer selbst aggressiv.
Andere Filmkonsumenten gehen da stärker mit. Stare etwa ändern je nach Handlung auch ihr eigenes Verhalten. So haben Francesca Zoratto vom Istituto Superiore di Sanita in Rom und ihre Kollegen den Vögeln Videos von einem Schwarm von Artgenossen gezeigt, der von einem Wanderfalken angegriffen wurde. Während der Show bewegte sich das gefiederte Publikum weniger und war wachsamer als sonst. Besonders Vögel, die keine echten Artgenossen als zusätzliche Wachtposten um sich hatten, achteten stark auf die Signale der Filmvögel, um Gefahren rechtzeitig zu erkennen. Umgekehrt hatten Filme von Schwärmen, die nicht angegriffen wurden, eine entspannende Wirkung. Während dieser Vorführungen waren die Vögel deutlich aktiver als sonst. Isolierte Stare fühlten sich sicher genug, um sich häufiger zu putzen, Gruppen waren kontaktfreudiger und kommunikativer.
Auch Schimpansen scheinen sich vom Geschehen auf dem Bildschirm persönlich betroffen zu fühlen. Sie können sogar die Emotionen der Leinwandhelden nachempfinden. Das schließen Lisa Parr vom Yerkes Regional Primate Research Center in Atlanta und ihre Kollegen aus Versuchen, in denen sie den Tieren Videoclips mit Szenen aus dem Affen-Alltag vorgeführt haben. Die Affen sollten Gefühle zuordnen. Auf einem Monitor wurde ein ängstliches, warnendes oder zufriedenes Schimpansen-Gesicht gezeigt. Die Affen wussten sofort, zu welcher Szene welche Emotionen passten: Kam in dem Film schmackhaftes Obst vor, deuteten sie auf das zufriedene Gesicht. Das ängstliche wählten sie, wenn ein Artgenosse auf dem Bildschirm vom Tierarzt eine Spritze verpasst bekam.
Tierisches Bildungsfernsehen
Doch nicht nur Gefühle können sich vom Bildschirm auf ein Schimpansen-Publikum übertragen. Sondern die nächsten Verwandten des Menschen können auch aus Filmen lernen. Zum Beispiel, wie man köstliche Weintrauben durch ein Türchen aus einem Plastikrohr herausbekommt. Lydia Hopper von der Georgia State University in Atlanta und ihre Kollegen ließen etliche Schimpansen mit dieser vertrackten Aufgabe allein. Andere Tiere konnten sich den Trick von anwesenden Artgenossen abschauen. Eine dritte Gruppe saß vor einer Art Lehrvideo, auf dem ein Schimpanse das richtige Vorgehen demonstrierte. Das "Bildungsfernsehen" funktionierte: Die haarigen Zuschauer stellten sich geschickter an als jene ohne Anleitung und waren ähnlich erfolgreich wie die Affen, die einen Plastikrohr-Experten aus Fleisch und Blut vor sich sitzen hatten.
Tierische Filmhelden können jedoch nicht nur mit Wissen punkten. Auch eine Karriere als Sexsymbol ist drin. Diesen doch etwas überraschenden Schluss ziehen Alexander Ophir und Bennett Galef von der McMaster University im kanadischen Hamilton aus ihren Versuchen mit Japanwachteln. Die Weibchen dieser Vögel zeigten eine auffällige Schwäche für Männchen, die sie schon einmal in erotischen Szenen auf dem Bildschirm gesehen hatten. Wenn sie einem solchen Film-Casanova im echten Leben begegneten, machten sie deutlich mehr Annäherungsversuche als bei anderen Bewerbern.