Führende Politiker blieben dem Kabul-Prozess, einer Initiative für Frieden und Sicherheit, fern - eine Bombe in Herat riss Menschen in den Tod.
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Kabul. Ungewöhnlich ruhig ist es in der afghanischen Hauptstadt Kabul. Während die Stadt sonst von Staus geplagt wird, sind aktuell selbst an notorischen Verkehrsknotenpunkten nur vereinzelt Autos unterwegs. Nach den blutigen Angriffen der vergangenen Tage - die Opferzahl des Anschlags vom vergangenen Mittwoch wurde auf mehr als 150 Tote korrigiert, ein trauriger Rekord der vergangenen 17 Jahre seit der US-Invasion in dem Land - werden Termine abgesagt, viele Büros haben ihre Mitarbeiter aufgefordert, zuhause zu bleiben. Auch jene, die keiner geregelten Arbeit nachgehen, bevorzugen, ihr Heim nicht zu verlassen.
Nicht nur mögliche Anschläge halten sie in den eigenen vier Wänden, sondern auch zunehmende politische und ethnische Spannungen, die, so befürchten manche, im schlimmsten Fall zu bewaffneten Zusammenstößen führen könnten.
Seit am Samstag drei Bomben beim Begräbnis eines am Vortag getöteten Demonstranten detonierten und weitere 18 Menschen töteten, liegen die Nerven blank. Der Vater des Getöteten ist der Vizesprecher des afghanischen Oberhauses und Parteimitglied der Dschamiat-e Islami. Die gesamte Führungsriege der von Tadschiken dominierten Partei des Regierungsgeschäftsführers Abdullah Abdullah war zur Beerdigung gekommen. Wie durch ein Wunder überlebten sie den Anschlag oder wurden nur leicht verletzt. Dschamiat-Mitglieder werfen nun dem zur Volksgruppe der Paschtunen gehörenden Präsidenten Ashraf Ghani indirekt vor, hinter dem Attentat zu stehen. Atta Muhammad Noor, Dschamiat-Parteigeschäftsführer und Gouverneur der Provinz Balkh, sprach von einer "Hand innerhalb des Establishments", die versucht haben soll, die Führung der Dschamiat auszulöschen. Auch Außenminister Salahuddin Rabbani sprach von "Terroristen innerhalb des Systems".
Die Beziehungen zwischen den Lagern von Abdullah und Ghani waren nie einfach. Nach einer umstrittenen Präsidentschaftswahl wurden sie vom damaligen US-Außenminister John Kerry in eine Einheitsregierung bugsiert. Immer wieder herrschte über Wochen Funkstille zwischen Ghani und Abdullah, der Zwist paralysierte das Land und blockierte wichtige Reformen. Die jüngsten Wortmeldungen führender Vertreter der Parteien offenbaren, wie fortgeschritten die Spaltung der Regierung ist. Einer Einladung Ghanis, die aktuelle Lage zu besprechen, kamen Dschamiat-Vertreter nicht nach. Sie blieben auch dem am Dienstag in Kabul stattfindenden "Kabul-Prozess", einer Initiative für mehr Frieden und Sicherheit in Afghanistan mit Vertretern aus mehr als 20 Ländern, fern.
Washington uneins über Hilfe
Aber auch innerhalb der Dschamiat-e Islami besteht keine Einigkeit darüber, wie man auf die Ereignisse der vergangenen Tage reagieren soll. Während der geschäftsführende Außenminister Salahuddin Rabbani fordert, hochrangige Vertreter der Sicherheitskräfte und des Geheimdienstes zu entlassen - worauf Ghani nicht einging -, verhält sich Abdullah zurückhaltender. Lokalen Medien zufolge will die Partei in den nächsten Tagen weiter darüber beraten, ob sie mit Ghani weiterarbeiten will. Während vorheriger Krisen der Einheitsregierung dauerte es üblicherweise nicht lange, bis Kerry in Kabul eintraf, um zu schlichten. Die neue Führung in Washington allerdings ist selbst gespalten in der Frage, wie man mit Afghanistan weiter verfahren soll. Während ein Flügel rund um Militärs wie General Herbert Raymond McMaster eine Truppenaufstockung befürwortet, hält Donald Trumps Chefstratege Stephen Bannon dagegen.
Ghani versprach in seiner Rede bei der Friedenskonferenz einen neuen, umfangreichen Vierjahresplan zur Verbesserung der Sicherheitslage und die Ernennung junger Generäle. Die Taliban lade er "ein letztes Mal" ein, dem Friedensprozess beizutreten. Diese antworteten, dies sei vergebens, solange nicht alle Ausländer das Land verlassen. Das Blutvergießen ging indes weiter: Eine Bombe vor einer Moschee in der westafghanischen Stadt Herat tötete mindestens sieben Menschen.