Für den britischen Premier Gordon Brown ist die afghanische Regierung "ein Synonym für Korruption". Im Korruptions-Ranking von Transparency International ist das Land am Hindukusch um drei Plätze abgerutscht, unter den 180 erfassten Staaten liegt nur das chaotische Somalia noch schlechter.
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In seiner Regierungserklärung hat Präsident Hamid Karzai neuerlich den Kampf gegen Korruption versprochen, eine neue, mit internationaler Hilfe geschaffene Einheit soll Günstlingswirtschaft und Bestechung bekämpfen. Doch bisher hat es schon zwei solche Kommissionen gegeben - sie agierten völlig erfolglos. Das kann angesichts der Machtstrukturen nicht überraschen. Denn ohne Korruption würde Karzais Regierung sofort zusammenbrechen.
Das liegt nicht nur daran, dass gegenseitige Gefälligkeiten und Vetternwirtschaft in der afghanischen Gesellschaft traditionell hohen Stellwert haben. In dem Land existieren viele ethnische Gruppen nebeneinander. Um ein staatliches Miteinander zu ermöglichen, muss Karzai mit den Machthabern jener Provinzen kooperieren, wo die Zentralmacht nicht hinreicht. Einige dieser Milizführer, deren Gefolgsleuten Morde, Plünderungen und Entführungen zur Last gelegt werden, sitzen als Vizepräsidenten Karzais in der Regierung.
Die sogenannten Warlords herrschen "mit illegalen Milizen über ihren eigenen Machtbereich, schüchtern die Leute ein, pressen ihnen Steuern und Bestechungsgelder ab, stehlen Land, handeln mit Drogen", schildert John Dempsey vom US-Friedensinstitut die Zustände. Diese Großen bleiben ungestraft. Ihre Gefolgsleute, aber auch Polizei und Bürger orientieren sich an dieser Gesetzlosigkeit.
Mit diesen Verhältnissen müsste sich wohl jeder Präsident auseinandersetzen, nicht nur um des eigenen Machterhalts willen, sondern auch, um irgendeine Illusion von Zentralmacht aufrechtzuerhalten. Und die Pläne, die US-Präsident Barack Obama und die Nato in den Schubladen haben, sind nicht dazu angetan, Karzai von Arrangements mit den Provinzfürsten abrücken zu lassen. Denn diese sehen dem Vernehmen nach vor, den Großteil der ländlichen Gebiete den Taliban zu überlassen und sich auf die Sicherung der großen Ballungszentren zu beschränken. In diesem "Restafghanistan" lebt allerdings nur ein Drittel der Bevölkerung.
Die Alternative dazu wäre eine Rückeroberung der verlorenen Gebiete und vor allem bleibende Präsenz ebendort. Dazu würden mindestens 140.000 Nato-Soldaten benötigt. Die mit einer solchen Strategie verbundene stark steigende Zahl der Toten schreckt die Staatsmänner des Westens. Sie tüfteln an Ausstiegsszenarien. Diese sehen eine Übergabe der Verantwortung an die einheimische Armee vor, der freilich vor allem die Führungskader fehlen. Bis der erwünschte Ausbildungsgrad erreicht ist, können noch Jahre vergehen, meinen Militärexperten.