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Afrika blutet unter "gewissenloser Ausbeutung" aus

Von Clemens M. Hutter

Gastkommentare
Clemens M. Hutter war Ressortchef Ausland der "Salzburger Nachrichten".

Korruption schadet dem Kontinent ebenso wie "exterritoriales Agrarland" zur Versorgung Asiens, Europas und der USA mit Lebensmitteln.


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Der ehemalige UNO-Generalsekretär Kofi Annan stellte den acht führenden Industriestaaten (G8) eine knifflige Aufgabe. Sie sollten auf ihrem Gipfel ein Regelwerk gegen "gewissenlose Ausbeutung" Afrikas konzipieren, damit der schwarze Kontinent "nicht weiter ausblutet". Leider fand der Gipfel dazu keine Zeit.

Natürlich sind weder alle 54 Staaten Afrikas noch alle investierenden multinationalen Konzerne von Korruption und Steuerbetrug zerfressen. Dennoch zeichnen jüngst veröffentliche Analysen ein bestürzendes Gesamtbild: Seit 1980 verschwanden umgerechnet 1050 Milliarden Euro illegal aus Afrika - Erträge aus Korruption, Geldwäsche, Steuerbetrug oder Kriminalität der politischen und wirtschaftlichen Eliten und ihrer außerkontinentalen Partner. Besonders anfällig sind an Rohstoffen reiche Staaten wie Nigeria, Angola, Kongo oder Südafrika. Afrika birgt riesige Reserven vor allem an Erdöl, Kupfer und Diamanten und zog daraus 2010 global 1950 Milliarden Euro Ertrag. Andrerseits übertraf der illegale Kapitalabfluss 2009 alle internationalen Hilfen zusammen um das Dreifache.

Die Verlockung des "schnellen Dollars" entwickelt besonders starke Zugkraft für die Erdölgiganten. Angolas Exporteinnahmen kommen zu 90 Prozent von Erdöl. Nigeria bezieht 80 Prozent seiner Einkünfte und 95 Prozent seiner Devisen aus Erdöl und Erdgas. Insgesamt bestehen Afrikas Exporte zu 80 Prozent aus Rohstoffen. Vor allem Asiaten, nicht aber Afrikaner, stellen davon Güter für den Weltmarkt her - auch für Afrika. Folglich ist das Wirtschaftswachstum des Kontinents Ergebnis des Rohstoffexports und des Imports von Konsumgütern (für die Eliten). Mangels verarbeitender Industrie schafft Afrikas potenzieller Reichtum viel zu wenige Arbeitsplätze. Die Marke "Made in Africa" fehlt auf dem Weltmarkt.

Rund 200 Millionen von einer Milliarde Afrikanern hungern. Das liegt an leistungsschwacher Landwirtschaft und an rund 450.000 Quadratkilometern (= sechsfache Fläche Österreichs) "exterritorialem Ackerland". Private Investoren und Staaten erwarben oder pachteten diese Landmasse, um Lebensmittel für Asien, EU und Nordamerika zu produzieren. Allein die EU bezieht von dort eine Menge, mit der 65 Millionen Afrikanern der Hunger erspart bliebe. Auch deshalb beklagte Annan das Ausbluten des Kontinents.

Erschütternde Zahlen untermauern diese Klage: 95 Prozent der Afrikaner verdienen weniger als 8 Euro pro Tag und 50 Prozent fallen unter die Armutsgrenze von 1,60 Euro Tageslohn. Hinzu kommt, dass 2012 weltweit rund 41 Millionen Tonnen Elektroschrott anfielen. Bevorzugter Absatzmarkt für ausgediente Handys oder Laptops ist Afrika - deklariert als "Gebrauchtwaren", an denen Schieber gut verdienen. Aber in den Schrotthalden wühlen arme Teufel nach Metall, mit dem man ein paar Euro verdienen kann.

Nun aber zähmen unter anderem Gabun und Sambia die Macht ausländischer Investoren, damit sie selbst das Exportgeschäft machen und den Gewinn in heimische Projekte stecken können. Das sollte die G8 doch motivieren, sonntagsrhetorischen Klagen Spielregeln folgen zu lassen, damit Afrika nicht weiter ausblutet.