Auf dem ganzen Kontinent sind nicht viel mehr Corona-Erkrankte registriert als in Österreich. Allerdings wird in Afrika wenig getestet - und das Schlimmste könnte noch bevorstehen.
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Die Corona-Epidemie scheint Afrika bisher nur gestreift zu haben. Dieser Eindruck ergibt sich zumindest, wenn man auf die offiziellen Zahlen blickt. Laut den Freitagnachmittag verfügbaren Daten der panafrikanische Gesundheitsbehörde Africa CDC haben sich auf dem Kontinent 18.792 Personen mit Covid-19 infiziert, das sind nur knapp mehr als in Österreich, wo zu diesem Zeitpunkt 14.553 Fälle gezählt wurden. Auch von den bisher mehr als 145.000 an Corona weltweit Verstorbenen kamen demnach nur knapp über 900 aus Afrika - das ist nicht einmal ein Prozent.
Warum in Afrika die Zahlen so niedrig sind, darüber kann nur spekuliert werden. So wird immer wieder als Grund genannt, dass kein Kontinent von der Globalisierung derart abgeschnitten ist wie Afrika und es deshalb auch vergleichsweise weniger Flugverkehr nach Afrika und auch innerhalb Afrikas gibt. Zudem wird darauf verwiesen, dass einige Wissenschafter Modellrechnungen angestellt haben, wonach sich lokale Infektionsketten stärker bei niedrigen Temperaturen ausbreiten - wobei dies aber vorerst nur eine These ist, die noch genauer untersucht werden muss.
Zweiter Blick auf Daten notwendig
Allerdings ist überhaupt fraglich, inwieweit die Daten für Afrika stimmen und ob die Dunkelziffer an Erkrankten nicht viel höher liegt. Denn aufgrund der mangelnden Ressourcen wird in Afrika sehr wenig getestet. So hat das von Wissenschaftern aus aller Welt gespeiste und an der Universität Oxford angesiedelte Portal "Our World in Data" das Testaufkommen in verschiedenen Ländern verglichen. Pro 1000 Personen wurden demnach in Südafrika, einem afrikanischen Spitzenreiter, bis 16. April 1,62 Personen getestet, im Senegal, für den die Wissenschafter ebenfalls Daten ausgewertet haben, lag dieser Wert gerade einmal bei 0,21. Zum Vergleich: In Österreich wurden bis dahin 18,54 Personen je tausend Einwohner getestet.
Um ein klareres Bild zu erhalten, soll nun eine Testoffensive gestartet werden: Die panafrikanische Gesundheitsbehörde kündigte an, die Länder mit einer Million Tests zu unterstützen. Unabhängig davon wollen auch viele Regierungen ihre Anstrengungen in diese Richtung verstärken.
Solange aber umfangreiche Tests nicht vorliegen, sei es sinnvoller, nicht auf die registrierte Zahl der Erkrankten zu blicken, sondern vielmehr darauf, wie stark sich das Virus laut den vorhandenen Daten in Afrika ausbreitet und wie stark die Todesfälle steigen, meint der Wissenschafter Felix Stein, der an der Universität Edinburgh zu Covid-19 in Afrika forscht.
UNO befürchtet 300.000 Tote
Diese Daten würden sich bisher in Afrika, wo Corona später angekommen ist, nicht sonderlich von anderen Weltregionen unterscheiden. "Meine Prognose lautet daher momentan, dass sich die Epidemie in Afrika genau so wie überall sonst verbreiten wird", sagt Stein.
Das Schlimmste könnte also Afrika noch bevorstehen, und das führt wiederum zu der Frage, wie gut die Länder auf ein derartiges Szenario vorbereitet sind. Nun, sie sind es nur mäßig, meinen mit dem Thema befasste Wissenschafter und NGOs. Forscher der Vereinten Nationen fürchten mittlerweile gar 300.000 Corona-Tote in Afrika.
Zwar haben einige afrikanische Länder beim Kampf gegen Ebola wertvolle Erfahrungen in der Seuchenbekämpfung gesammelt. Trotzdem bleiben noch viele Probleme. So fehlt es in allen Ländern an Mitteln im Gesundheitswesen. Nur ein Beispiel: In Mosambik gibt es gerade einmal rund 30 Beatmungsgeräte, die für Intensivstationen bereit stehen. Generell mangelt es überall in Afrika an Krankenhäusern und Ärzten.
Auch wenn die Bevölkerung sehr jung ist, ist sie vielerorts geschwächt. Millionen Afrikaner sind mangelernährt oder bringen Vorerkrankungen wie HIV oder Tuberkulose mit. Und wie sollen Menschen - wie von der Weltgesundheitsorganisation WHO empfohlen - sich mehrmals am Tag die Hände waschen, wenn sie zu Hause nicht einmal einen Wasseranschluss haben, wie das vielerorts in Afrika der Fall ist?
Kampf gegen Corona könnte gravierende Folgen haben
Auch afrikanische Staaten greifen nun zu umfassenden Maßnahmen, um die Ausbreitung von Covid-19 einzudämmen. So haben etwa Kenia, Nigeria oder Liberia, um nur drei Beispiele zu nennen, strenge Ausgangssperren verhängt. Doch das führt zu einem weiteren Problem: Viele Bürger haben kein Erspartes und wissen nicht, wie sie ihre Familien ernähren sollen, wenn sie nicht arbeiten können. In Liberias Hauptstadt Monrovia ging die Polizei bereits mit Knüppeln gegen Bürger vor, die sich nicht an das Ausgangsverbot hielten, in Südafrika und Nigeria kam es zu ersten Plünderungen.
Die Folgen des weltweiten Kampfes gegen Corona werden Afrika jedenfalls stark in Mitleidenschaft ziehen: Die Pandemie drohe 29 Millionen Menschen in extreme Armut zu stürzen, teilte die UNO-Wirtschaftskommission für Afrika mit. Auch im Gesundheitssektor gibt es die Befürchtung, dass die Maßnahmen gegen Corona negative Folgen für andere Programme haben.
Wenn nämlich sämtliche Kapazitäten im Kampf gegen Covid-19 gebunden sind, könnte - wie es schon in der Ebola-Krise der Fall war - bei anderen Krankheiten wie Malaria oder Tuberkulose die Rate an Toten wieder ansteigen. "Gleichzeitig wird aber der Kampf gegen Covid-19 an schon vorhandene Maßnahmen gegen die Ausbreitung von Infektionskrankheiten anschließen", sagt Stein. "So wird er hoffentlich das Gesundheitswesen als Ganzes voranbringen."