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Afrikas politischer Fluch der Ressourcen

Von Klaus Huhold

Politik

Vielen afrikanischen Ländern hat der Rohstoffreichtum Instabilität gebracht. Und er schwächt bis heute Demokratien.


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Wien. Die jüngste Präsidentenwahl im Kongo wird in die Geschichte eingehen als ein politisches Ränkespiel, wie man es selten gesehen hat: Der amtierende Präsident Joseph Kabila konnte damals, gewählt wurde am 30. Dezember 2018, nicht noch einmal zur Wahl antreten - er hätte damit die Verfassung gebrochen, außerdem war der internationale Druck zu stark. Kabila und seine Partei schicken also einen Kandidaten ins Rennen, der als Strohmann gilt. Dieser erhält aber so wenig Zuspruch von den Wählern, dass es eine zu dreiste und augenscheinliche Manipulation wäre, ihn zum Sieger zu erklären.

Unter der Opposition gibt es zwei aussichtsreiche Kandidaten: Auf der einen Seite Felix Tshisekedi, der den größten Teil seines Lebens in Europa verbracht hat, nicht allzu viel Hausmacht besitzt und mit dem Kabila ganz gut auskommt. Und Martin Fayulu: Der frühere Manager des Öl-Konzerns Exxon ist ein großer Gegner des Präsidenten. Hinter ihm stehen einst einflussreiche Politiker, die Kabila im Laufe der Jahre entmachtet hat.

Verlierer wird zum Sieger

Und ausgerechnet Fayulu hat die Wahl gewonnen. In diese Richtung gehen Kommentare der Katholischen Bischofskonferenz, die bei dem Urnengang 40.000 Beobachter im ganzen Land stationiert hatte. Und auch Daten der Wahlkommission Ceni, die der Zeitung "Financial Times" zugespielt wurden, weisen Fayulu als Sieger aus.

Dieser wird aber nicht zum offiziellen Sieger erklärt werden. Denn vor der Verkündigung der Wahlergebnisse trifft sich Kabila mit dem ihm freundlich gesinnten Tshisekedi und bietet ihm einen Deal an: Der Präsident und seine Entourage sorgen dafür, dass das Ergebnis derart manipuliert wird, dass der eigentlich bei der Wahl unterlegene Tshisekedi gewinnt. Dafür teilen sie sich die Macht. So ist es auch gekommen.

Tshisekedi ist nun Präsident, während die Kabila nahestehende Kommunale Front für den Kongo nach dem Gewinn bei der - ebenfalls sehr umstrittenen - Parlamentswahl das Repräsentantenhaus dominiert. Zudem dirigieren Vertraute von Kabila nach wie vor die Sicherheitskräfte. Die USA, die EU und auch die meisten afrikanischen Staaten haben nach kurzem Murren das Ergebnis abgenickt. Stand August 2019 spielt diese Episode auf internationaler Bühne keine Rolle mehr.

Rohstoffe bremsen Entwicklung

Kabila hatte einfach enorm viel zu verlieren: Ihm droht bei seiner Wahlniederlage eine Anklage - in seiner 17-jährigen Amtszeit gab es genügend dubiose geschäftliche Deals, und der Kongo ist berüchtigt für das gewaltige Ausmaß an Korruption, das dort herrscht. Für Kabila und seine Familie ging es um viel Geld. Eine gemeinsam mit der Nachrichtenagentur Bloomberg veröffentlichte Studie der New York University dokumentierte, an welchen Geschäften die Kabila-Familie beteiligt ist, und nennt etwa Luxushotels, Mobilfunkunternehmen oder Restaurants. Und wer im Kongo an der Macht ist, ist fast immer auch an schmutzigen Rohstoffdeals beteiligt.

In dem Land zeigt sich am deutlichsten und schärfsten ein Problem, von dem auch viele andere afrikanische Staaten betroffen sind: der sogenannte Fluch der Ressourcen. Der Kongo, der so groß ist wie Westeuropa, besitzt einen immensen Reichtum an Rohstoffen - hier finden sich etwa Kupfer, Zinn oder das für Mobiltelefone benötigte Coltan. Wirtschaftlich bedeutet das allerdings: Der Kongo ist von den schwankenden Weltmarktpreisen für die einzelnen Rohstoffe abhängig. Zudem wurde auch keine diversifizierte Ökonomie entwickelt, weil sich über die Bodenschätze das große Geld verdienen lässt. Die Bevölkerung ist bitterarm, während sich eine schmale Schicht bereichert.

Diese wirtschaftliche Konstellation geht oft einher mit bestimmten politischen Zuständen. Denn den Zugang zu den Rohstoffen sichern am ehesten politische und militärische Macht. Deswegen war es für Kabila und seinen Clan so wichtig, weiter die Fäden in der Hand zu halten. Deshalb wird Demokratie in vielen afrikanischen Ländern weniger als Repräsentation eines Volkswillens angesehen, "sondern vielmehr als Verteilungs- und Machtkampf zwischen einzelnen Gruppen erlebt", wie es eine Journalistin aus Uganda ausdrückt.

Freilich ist es schwierig, eine Typologie über ganz Afrika zu legen. Darauf verweist Gerald Hainzl, der für die Landesverteidigungsakademie zu dem Kontinent forscht. "Man muss sich jede einzelne Region, jeden einzelnen Staat anschauen, wer wo wie an welchem Rädchen dreht und wer wo welchen Einfluss und welche Macht hat", sagt der Forscher der bei dem derzeit stattfindenden Forum Alpbach gemeinsam mit Kollegen das Seminar "Freiheit und Sicherheit: Daten, Fakten und Stimmen aus Afrika" leitet.

Und redet man über den ganzen Kontinent, lassen sich zu jeder These auch Gegenbeispiele finden: So nutzte Botswana seinen Diamantenreichtum, um ein Schul- und Gesundheitswesen aufzubauen, und liegt in dem von der UNO erstellten Index der menschlichen Entwicklung vor allen anderen Staaten des südlichen Afrikas, inklusive Südafrika.

Trotzdem: In den meisten afrikanischen Staaten hat sich der Ressourcenreichtum - und dieser ist, wenn man über Freiheit und Sicherheit in Afrika spricht, ein entscheidender Faktor - vielmehr als Fluch denn als Segen erwiesen. Der Südsudan lebt ganz stark von seinen Erdöleinnahmen - und das ist einer der Gründe, warum ein Bürgerkrieg das ohnehin schon unterentwickelte Land vollkommen zerstört hat. Und in der Zentralafrikanischen Republik haben Diamanten den Bürgerkrieg befeuert.

Aber auch Demokratien werden von den Rohstoffen geschwächt: Und zwar auch solche, die wesentlich besser funktionieren als der Kongo. Nigeria ist dafür ein Beispiel, wo das Öl für den Großteil der Einnahmen des Staatshaushaltes sorgt.

Champagner und Armut

Die einstige Militärdiktatur hat sich zwar als Demokratie gefestigt, wovon Wahlen, bei denen sich auch ein Machtwechsel vollzog, zeugen. Es bleibt aber die große Anfälligkeit für Korruption, die die Institutionen untergräbt, und ein enormes Wohlstandsgefälle innerhalb der Bevölkerung.

Während die (nicht selten durch das Öl reich gewordene) Oberschicht den westafrikanischen Staat zu einem der größten Champagnerimporteure weltweit gemacht hat, leben rund 86 Millionen Menschen, das ist fast die Hälfte der Bevölkerung, von weniger als 1,90 Dollar am Tag und damit in extremer Armut. Diese Ungleichheit ist nicht der ausschließliche, aber mit ein Grund für die Aufstände und Gewaltausbrüche, die das Land immer wieder heimsuchen - etwa durch Rebellen im Süden des Landes, wo das Öl gefördert wird.

Die Abhängigkeit von einzelnen Ressourcen und die Konzentration von politischer und wirtschaftlicher Macht in wenigen Händen zählen viele Forscher zu den Faktoren, die Afrika am stärksten destabilisieren und eben auch Demokratien unterminieren. Zumal Ölfelder und Minen auch nicht für die vielen Arbeitsplätze sorgen, die der Kontinent aufgrund seiner hohen Geburtenrate braucht.

Um dem gegenzusteuern, nennen Ökonomen verschiedene Maßnahmen: Etwa dass die Landwirtschaft, in der noch immer ein Großteil der Bevölkerung arbeitet, stärker gefördert und dadurch produktiver wird - weshalb die Afrikanische Entwicklungsbank mehr als 20 Milliarden Dollar in den Agrarsektor investieren will. Und dass sich die Wirtschaft breiter aufstellt und stärker industrialisiert.

China als Modell

Vielerorts geschieht das auch schon: Einzelne Länder wie Ghana, Cote d’Ivoire, Äthiopien oder Ruanda erleben gerade einen Aufschwung, der auf einer breit gefächerten Basis steht und sich eben auch einer fortschreitenden Industrialisierung verdankt. So zieht Äthiopien Betriebe aus der Textilindustrie an, während in Ruanda mittlerweile VW ein Werk eröffnet hat. "Die Frage ist nur: Wie viel wirtschaftliche Innovation wird dann auch politisch umgesetzt?", sagt Hainzl.

Denn es ist zwar wahrscheinlich, dass diese wirtschaftlichen Erfolgsgeschichten für mehr Stabilität sorgen. Aber es ist keineswegs ausgemacht, dass mit ihnen auch eine verstärkte Demokratisierung einhergeht. Zumal die Entwicklungsdiktatur China mit ihrem rasanten Aufstieg und ihren Erfolgen in der Armutsbekämpfung immer mehr als Gegenmodell zur westlichen Demokratie gehandelt wird und sich auch immer mehr als solches ins Spiel bringt. Bei den genannten Beispielen gilt zwar etwa Ghana als eine der gefestigten afrikanischen Demokratien. In Ruanda hingegen dirigiert Präsident Paul Kagame den Fortschritt von oben mit eiserner Hand - und in manchen Nachbarländern tauchen immer wieder Stimmen auf, die dieses Modell als Vorbild sehen. Etwa im Kongo, wo Wahlen oft Chaos, Betrug und Verdruss bringen.

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