Die Weltbank prognostiziert dem afrikanischen Kontinent solides Wachstum.
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Washington/Luanda. Der Geschäftsmann, der es einfach liebt, findet schon mit 450 US-Dollar pro Nacht das Auslangen, Frühstück inklusive. Wer jedoch in der Präsidentensuite des Fünf-Sterne-Hotels Epic Sana im Zentrum der angolanischen Hauptstadt Luanda nächtigen will, muss tiefer in die Tasche greifen: 3000 Dollar kostet der präsidiale Komfort.
Als vor zehn Jahren die Ölindustrie nach Luanda kam, gab es kaum Hotels. Unternehmen waren bereit, nahezu jeden Preis für eine sichere und komfortable Unterkunft ihrer Mitarbeiter zu zahlen: Auf die Ölbonanza folgte ein Bauboom. Inzwischen sieht es in den Villenvierteln von Luanda aus wie in Florida, alle Nahrungsmittel müssen importiert werden - und die Hauptstadt des westafrikanischen Landes Angola liefert sich seit fünf Jahren ein Match mit der japanischen Metropole Tokio um den Titel der teuersten Stadt der Welt.
Zum Vergleich: Während Japan mit Rang 12 beim Human Development Index zu den am höchsten entwickelten Ländern zählt, ist Angola am anderen Ende angesiedelt (HDI-Rang 148). Trotzdem zahlt man in Luanda wie in Tokio ungefähr 100 Dollar für eine Restaurant-Mahlzeit.
Angolas Wirtschaft speist sich aus üppigen Ölvorkommen. Für den Großteil der Bevölkerung hat sich dadurch nichts geändert: Sie ist weiter bitterarm; das große Geld fließt an eine kleine Kaste von Parteifunktionären und Ölmanagern. Öl, Mineralien, Tourismus - all das bringt Afrikas Staaten Wachstum, aber kaum Wohlstand. Nur langsam bildet sich ein Mittelstand heraus, etwa in Nigeria, Südafrika, Angola, Kenia und Guinea. Autos, Mobiltelefone, Kosmetikartikel, Designerkleidung sind die urbanen Signale des sozialen Aufstiegs.
Wirtschaftlich profitieren davon aber vor allem chinesische und europäische Konsumgüterhersteller: Die afrikanischen Staaten selbst produzieren nämlich kaum konkurrenzfähige Waren - ihre Exporte beschränken sich fast zur Gänze auf Rohstoffe. Weiterverarbeitung, Veredelung und damit Wertschöpfung finden überall sonst auf der Welt statt.
Das am schnellsten wachsende Land der Welt
Kaum ein Land demonstriert das besser als Sierra Leone, kaum ein Rohstoff besser als Eisenerz. Der Hauptbestandteil von Stahl wird gebraucht, um etwa die Wolkenkratzer in Shenzhen oder Chengdu zu errichten. Doch nicht China ist die am schnellsten wachsende Volkswirtschaft der Welt - sondern Sierra Leone, dessen Hauptexportgut eben Eisenerz ist.
Das Land, das lange Zeit mit Blutdiamanten und Kindersoldaten von sich reden gemacht hatte, ließ vor zehn Jahren seinen Bürgerkrieg hinter sich. Die Vereinten Nationen nannten Sierra Leone einst das beste Beispiel für eine erfolgreiche Friedensmission. Das Wirtschaftswachstum des kleinen Küstenlands betrug 2012 unglaubliche 25 Prozent - laut dem aktuellen Bericht der Weltbank ("Global Economic Prospects"). In Sierra Leone hatte das Wachstum einen simplen Grund: Es wurden zwei weitere Eisenerz-Produktionsstätten gebaut. Die Investmentbank JP Morgan Chase schätzt, dass aufgrund der geologischen Verhältnisse in der kommenden Dekade fast die Hälfte des weltweit benötigten Eisenerzes aus Sierra Leone und seinen zwei Nachbarstaaten Liberia und Guinea (die noch nicht so gut ausgebaut sind) kommen werde.
Doch ob das Eisenerz Sierra Leone neben Reichtum auch Glück bringt, ist eine andere Frage. Vergangenen April kam es zu einem blutigen Konflikt zwischen Minenarbeitern und Regierungstruppen. Die Minenarbeiter traten in den Streik, um gegen die schlechte Bezahlung, das Verbot der Gewerkschaftsbildung und unfaire Entlassungsmethoden zu protestieren. Sie trafen aber nicht, wie erhofft und versprochen, die Manager der Mine an - stattdessen brachte sich die Polizei in Stellung und feuerte mit Tränengas, auch Gewehrschüsse waren hörbar. Besonders die älteren Augenzeugen rannten um ihr Leben. "Für uns war es, als kehrte der Bürgerkrieg wieder zurück", erklärte eine Betroffene gegenüber der Agentur Bloomberg.
Ein Kontinent der Kontraste: Während die Ärmsten der Armen nicht wissen, wie sie die steigenden Nahrungskosten finanzieren können, überrunden manche afrikanische Staaten die europäischen Krisenstaaten an den Finanzmärkten: Länder wie Angola, Ghana, Senegal, Nigeria oder Namibia sorgten auf den globalen Anleihenmärkten mit der Ausgabe von Schuldpapieren für Aufsehen. Das Debüt von Sambia mit einer 750-Millionen-Euro-Anleihe im vergangenen Jahr war sogar 15 Mal überzeichnet - die Zinsen waren mit 5,6 Prozent nur geringfügig teurer als für Spanien, aber viel günstiger als für Portugal.
Während die Demokratische Republik Kongo, einer der flächenmäßig größten Staaten, gerade 231 US-Dollar jährliche Wirtschaftsleistung pro Kopf erzielt, könnte der kleine westafrikanische Küstenstaat Äquatorial-Guinea in Europa locker mithalten - und übertrifft mit einem BIP-pro-Kopf von rund 27.500 US-Dollar sogar die einstige Kolonialmacht Portugal (22.300) oder Slowenien (24.140 Dollar).
Doch auch hier gilt: Der Ölreichtum kommt nur einer kleinen Elite zugute. Und er schafft Abhängigkeit, sowohl von den hohen Rohstoffpreisen als auch von Kapitalzuflüssen ausländischer Investoren. Diese treiben zwar damit dringend benötigte Infrastrukturprojekte voran - aber auch nur dort, wo es der Förderung, dem Transport und der Exportlogistik dient, und nicht dort, wo es für die Bevölkerung oder für einen florierenden inner-afrikanischen Handel günstig wäre.
Unternehmen lassen 40 Prozent des Outputs liegen
Allzu oft geben sich die internationalen Unternehmen sogar mit der bestehenden katastrophalen Infrastruktur zufrieden: Und das, obwohl dadurch die Produktivität ihrer afrikanischen Tochterfirmen auf gerade einmal 60 Prozent des sonst üblichen internationalen Standards gedrosselt wird. Ohne die Infrastrukturlücken könnte das Wachstum um ganze 2 Prozentpunkte höher liegen.
Doch immerhin: Robuste 5,8 Prozent wuchsen die Länder südlich der Sahara - exklusive Südafrika, der größten Volkswirtschaft des Kontinents. Mit Südafrika, das aufgrund seiner hohen internationalen Verflechtung unter dem Schwächeln Europas und der USA besonders leidet, liegt der Durchschnitt der Region bei 4,8 Prozent. Würde man sich nur die Öl-Exporteure der Subsahara ansehen (Angola, Elfenbeinküste, Gabun, Kamerun, die Republik Kongo sowie die Demokratische Republik Kongo, Nigeria, Sudan, Tschad), läge das Wachstum der Subsahara schon bei 6 Prozent und 6,2 Prozent im nächsten Jahr.
In Nordafrika hingegen ließ just der Arabische Frühling die Konjunktur stark abkühlen: 2011 kam es zu einem Minus von 2,4 Prozent, 2012 wurde mit einem (erwarteten) Wachstum von 3,8 Prozent etwas Boden gutgemacht - wenngleich die Weltbank daran erinnert, dass der konjunkturelle Ansprung vor allem der Tatsache zu verdanken war, dass die Ölproduktion in Libyen wieder hochgefahren worden ist. Wie wenig Bedeutung die Boomzahlen haben können, zeigt sich im Bürgerkriegsland Libyen: Für das Land wurde 2012 ein Wachstum von 108 Prozent erwartet - trotz dieses rapiden Wiederaufschwungs wird es bis 2015 dauern, bis die Wirtschaftsleistung das ehemalige Niveau von 2010 erreicht.
Der Arabische Frühling hat zudem Touristenströme von Nordafrika in die Subsahara-Zone umgelenkt: Südafrika erlebte 2012 ein Touristenplus von 11 Prozent, Sierra Leone sogar von 17 Prozent. Es sind nun vor allem Besucher aus jenen Ländern, die zu den großen Investoren in Afrika zählen: Die Ferieninsel Mauritius verzeichnete um 38 Prozent mehr Chinesen; die Zahl der Besucher aus Russland verdoppelte sich fast. Die Ankünfte der nach absoluten Zahlen größten Urlaubergruppe hingegen sinken: Es kamen um fast 8 Prozent weniger Europäer an.