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Agenten-Flaggschiff hat Schlagseite

Von Wolfgang Tucek

Politik

Nach dem überraschenden Rücktritt von CIA-Chef George Tenet ist am Freitag auch der "Chef-Spion" James Pavitt demissioniert. Beide gaben für ihren Schritt "persönliche Gründe" an. Beobachter sehen jedoch Zusammenhänge mit einem Senats-Bericht über die Verfehlungen des CIA. Nachfolger Tenets wird interimsmäßig dessen Stellvertreter John McLaughlin.


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Nach der Demission des sieben Jahre amtierenden CIA-Direktors Tenet trat am Freitag auch der stellvertretende Leiter der CIA-Operationsplanung, James Pavitt, per nächstem Monat zurück. Er habe diese Entscheidung bereits vor dem Rücktritt Tenets getroffen, und es handle sich in seinem Fall um eine Pensionierung, erklärte ein Regierungsbeamter.

Da Pavitt in den letzten fünf seiner 31 Jahre bei der CIA für den Einsatz der Agenten zuständig war, wurde er auch als deren "Chef-Spion" bezeichnet. Seine Identität war wie in Geheimdiensten üblich, lange Zeit nicht bekannt gewesen, bis er letzten April öffentlich vor dem Parlamentsausschuss zur Untersuchung der Vorgänge um den 11. September erschien.

Während die "New York Times" einen in Kürze erscheinenden Geheimreport des US-Senats mit detaillierten Aufzählungen von Fehlern und Fehleinschätzungen der US-Geheimdienste im Zusammenhang mit dem Irak-Krieg als Motor für Tenets Demission zu erkennen glaubte, erklärte dieser "er müsse sich nun um seinen Sohn kümmern".

Nur US-Präsident George W. Bush lobte Tenet uneingeschränkt für seine "fantastische Arbeit". Für viele seiner Parteigenossen wurde er zum Sündenbock - vor allem für den entglittenen Irak-Einsatz. "Unter seiner Zeit ist im CIA mehr falsch gelaufen als irgendwann sonst", erklärte ein republikanischer Senator. Er verwies auf die fehlenden Warnungen vor dem 11. September und eben auf die haltlosen Einschätzungen des CIA zu den Massenvernichtungswaffen im Irak, mit denen US-Außenminister Colin Powell in die Öffentlichkeit getreten war. Zuletzt war der Geheimdienst auch noch direkt mit den Misshandlungen von Gefangenen im Irak in Verbindung gebracht worden, die in einem am Freitag veröffentlichen UN-Menschenrechtsbericht aufgezeigt werden.

Übergangschef des CIA wird nun John McLaughlin, der bisherhige Stellvertreter von Tenet. Der 61-Jährige, der in den 60ern als Armeeoffizier in Südostasien im Einsatz war, begann seine Karriere bei der CIA 1972 als Europa- und Russland-Fachmann.