Der Vizekanzler a.D. auf der Payroll eines Oligarchen. Wie weit dürfen Ex-Politiker im neuen Leben gehen? Kant kann helfen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 9 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Im prunkvollen Palais Ferstel als Chef einer Agentur vorgestellt zu werden, die ein Land mit 45 Millionen Einwohnern modernisieren soll: Man kann es schlechter treffen. Vizekanzler a.D., Michael Spindelegger, wird Direktor der "Agentur für die Modernisierung der Ukraine".
Kein Vergleich zu Bundeskanzler Alfred Gusenbauers erstem Job nach der Politik: die Arbeiterkammer; wir erinnern uns an ein wenig modernes, geschweige denn prunkvolles Kammerl. Der Boulevard verbreitete davon Fotos und sorgte für Spott und Häme. Doch Gusenbauer entstieg seinem Kammerl wie Phönix aus der Asche. Sein Freund, Anwalt "Gabi" Lansky, vermittelte ihm einen Job als Berater beim Präsidenten Kasachstans. "Gusi" macht seither außerdem in Glücksspiel (Novomatic), Immobilien (Benkos Signa), Bauwirtschaft (Strabag), Sanierer (Cudos), Professor (Harvard).
Ob ihn der Kammer-Kummer anspornte oder die AK nur als Telefonkammerl für die Jobsuche diente, bleibt sein Geheimnis.
Einen Diktator beraten? Statt Spott setzte es nun Empörung.
Die schlägt abgeschwächt nun auch Spindelegger entgegen. Der steht nämlich ab sofort auf der Payroll des Oligarchen Dmitry Firtasch, dem Finanzier der Ukraine-Agentur.
Hätte Spindelegger zum ÖAAB zurück sollen? Zyniker-Kommentare über den Versorgungsposten wären ihm sicher gewesen. Davor war selbst Salzburgs Ex-Landeshauptfrau, Gabi Burgstaller, nicht gefeit, als sie zur Salzburger AK und damit in ihren alten Job zurückkehrte.
Spott für "niedrige" Jobs im Inland, Empörung über Berater-Jobs in der großen Welt. Wie hätten wir es denn gerne? Was dürfen Politiker? Muss man wie Susanne Riess (Ex-FPÖ) in den Chefsessel einer Versicherung, um nicht verhöhnt zu werden? Rein rechtlich gilt für Kanzler und Minister eine halbjährige Cooling-off-Phase mit Gehaltsfortzahlung. Danach greift nicht mehr das Gesetz, sondern die subjektive Ethik. Anders als etwa beim ethischen Investment sind bestimmte Bereiche wie Waffenhandel nicht kategorisch ausgeschlossen, wenn Politiker in ihre Zukunft investieren. Die No-go-Area muss jeder für sich selbst abstecken.
Für Firtasch gilt die Unschuldsvermutung. Dass postsowjetische Oligarchen oft durch windige Machenschaften zu ihrem Vermögen kamen, weiß Spindelegger sehr gut.
Den Kasachen Nasarbajew berieten auch Gerhard Schröder und Tony Blair. Deswegen ist es aber noch nicht o.k., von einem Diktator Geld zu nehmen: "Ich würde es ablehnen", sagt Politologe Peter Filzmaier. Wolle Gusenbauer die Demokratie befördern, er könne das bei der OSZE tun. Glücksspiel? Ansichtssache. Fasst man ethische Exit-Kriterien zu eng, welcher 40-Jährige will dann noch Minister werden?
Eine Abwandlung von Kants kategorischem Imperativ könnte Politikern als Entscheidungshilfe dienen: "Nimm nur solche Jobs an, die Du auch als aktiver Politiker für moralisch vertretbar befunden hättest und die Dir so eine Rückkehr in die Politik nicht verbauen."
Wie sieht’s aus, Herr Spindelegger?