Paris/Wien - Die Wogen gehen in allen Ländern der Europäischen Union hoch. EU-Kommissar Franz Fischler hat mit seinem Überraschungs-Coup zur Landwirtschaftsreform eine extrem hitzige Sommerdebatte eröffnet, die auch sobald nicht abreißen wird. In Frankreich fanden am Dienstag schon die ersten Bauernproteste statt. Auch in Österreich will man den Fischler-Vorstoß nicht hinnehmen, vor allem Landwirtschaftsverbände wehren sich. Die SPÖ und vor allem die Grünen bewerten den Vorschlag als äußerst positiv.
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Fischler wird zum Buhmann der französichen Bauerngewerkschaft "Jeunes Agriculteures". Vor der Pariser Dependance der EU-Kommission gaben hunderte Landwirte ihrem Unmut freien Lauf. "Wir sind schockiert, dass Fischler den Blickwinkel der Umwelt und der Qualität wählt, um eine Senkung der Landwirtschaftspreise durchzubringen," erklärt Gewerkschaftspräsident Jerome Despey. Doch man werde Fischler zeigen, dass die französichen Landwirte nicht auf ihn gewartet haben, um sich für Qualität und Umwelt einzusetzen. Fischler, der nach seinem Überraschungsangriff nun eine Verteidigungstournee für sein Reform-Papier durch europäische Hauptstädte absolviert und sich gerade in Paris aufhielt, wurde von den Demonstranten mit Wein und Käse verköstigt.
Österreichs Bauernvertreter kontra Fischler-Reformpläne
Auch in Österreich fühlt sich mancher Bauernvertreter von den Fischler-Plänen überrumpelt. "Die Agrarreform ist in weiten Bereichen nicht tragbar, denn sie trifft nicht nur Großbetriebe, sondern auch bäuerliche Familienbetriebe." Franz Eßl, Obmann der Arbeitsgemeinschaft für Bergbauernfragen in der Präsidentenkonferenz erteilt dem Kommissar aus Österreich eine Absage, noch dazu, wo man zum jetzigen Zeitpunkt mit einer solchen gar nicht gerechnet habe. Vor allem die Entkoppelung der Förderungen von der Produktion wird massiv abgelehnt. Eßl fürchtet, dass damit die Landwirte zu Sozialhilfeempfängern degradiert werden. Und auf lange Sicht wäre dies das Ende jeglicher Landwirtschaftsförderung. Der Reformvorschlag hätte konkrete Nutznießer, die EU-Finanzminister, und deshalb trage er auch deren Handschrift.
Eßl ist obendrein überzeugt, dass die Fischler-Darstellung, wonach nur die Großen mit Kürzungen zu rechnen hätten, den Kleinen aber mehr Mittel zur Verfügung stünden, nicht stimme. Die Verbesserungen für Kleinbetriebe seien nicht erwiesen. Die 5000-Euro-Grenze also die Pauschalierung jener Prämien, die im Rahmen der Marktordnung bezahlt würden, müssten auch kleinere Betriebe in Kauf nehmen. Denn eine Kürzung um jährlich drei Prozent sei vorgesehen, egal ob man die 5000-Euro-Grenze um 100 oder 295.000 Euro überschreitet. Eßl schlägt statt dessen eine Abstufung nach zunehmender Betriebsgröße mit sukzessive abnehmender Prämienzahlung vor. Es sei nicht zulässig, die Landwirtschaftsreform mit der EU-Erweiterung zu verknüpfen: "Es kann nicht sein, dass die Bauern diese zahlen und andere profitieren." Eine Absenkung der Beiträge kommt für ihn nicht in Frage, Österreich könne sich einen Beitrag von 1,27 Prozent des BIP ohne weiteres leisten. Vielmehr fordert der Bauernvertreter einen Vorschlag, wie es mit der Milchquotenregelung nach deren Auslaufen 2008 weiter gehen soll. Auch eine Nachfolgeregelung für die benachteiligten Gebiete sei noch ausständig. Der steirische Landwirtschaftskammerpräsident Gerhard Wlodkowski spricht gar von einem Vertrauensbruch, sieht allerdings im Papier auch positive Aspekte.
Die SPÖ hingegen begrüßt die Reformpläne des Agrarkommissars. Klubobmann Josef Cap versteht den Solidarakt von Landwirtschaftsminister Wilhelm Molterer mit seinem französischen Kollegen überhaupt nicht. Molterer stelle sich gegen die Interessen der Mehrheit jener kleinen und mittleren Betriebe, die von den Plänen Fischlers profitieren würden. "Gemeinsam mit seinem französischen Pendant schmiede er eine unheilige Allianz mit der Großbauern- und Agrarindustrielobby."
Ins selbe Horn stoßen die Grünen. Für Agrarsprecher Wolfgang Pirklhuber ist es nicht nachzuvollziehen, warum sich Molterer mit Frankreich verbündet, vor allem, wo die Grande Nation doch gänzlich andere Interessen verfolge. Pirklhuber fordert von Fischler sogar mehr: Der Förderung von Überproduktion muss ein Riegel vorgeschoben werden, und deshalb sollten auch die EU-Exportsubventionen abgeschafft werden.