20 feindliche Kämpfer getötet | Israel begrüßt das Vorgehen Kairos.
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Tel Aviv/Kairo. Die Sinai-Halbinsel kommt nicht zur Ruhe. Am Sonntag griffen militante Extremisten einen ägyptischen Kontrollpunkt im Norden der Halbinsel an und töteten dabei 15 Soldaten. Nachdem die Angreifer gepanzerte Armeefahrzeuge unter ihre Kontrolle gebracht hatten, nahmen sie Kurs auf Israels Grenze, wo sie nach kurzen Gefechten von der israelischen Luftwaffe überwältigt wurden.
Nachdem erneut Kontrollpunkte der Sicherheitskräfte angegriffen wurden, ist die ägyptische Armee nun mit Gewalt gegen militante Islamisten vorgegangen. Bei den Angriffen der Armee auf Dörfer Nahe der Grenze zu Israel sind in der Nacht auf Mittwoch laut offiziellen Angaben 20 Menschen getötet worden. Dabei wurden auch Hubschrauber eingesetzt.
"Wir haben 20 Terroristen getötet und drei gepanzerte Fahrzeuge zerstört, die den Terroristen gehörten", sagte ein ägyptischer Kommandant. Die Armee sucht weiter nach bewaffneten Extremisten in der Region. Der ägyptische Präsident Mohammed Mursi forderte seine Sicherheitskräfte auf, dieser "ernsthaften Anfechtung ägyptischer Souveränität entgegenzutreten und den Sinai vor bewaffneten Gruppen zu schützen".
Experten weisen seit längerem auf einen Zuwachs militanter Islamisten in der Region hin. "Neben einem komplizierten Mix aus Stämmen und Familien finden sich im Sinai auch Dschihadisten", sagt Abdel Moneim Said, Direktor des Al-Ahram Zentrums für politische und strategische Studien in Kairo. Diese Dschihadisten hingen extremistischen Auffassungen des Islam an und würden teilweise der Al-Kaida nahestehen.
Grenze zu Gaza geschlossen
Die Sinai-Halbinsel ist seit Beginn der ägyptischen Revolution letzten Jänner immer mehr zu einer Art gesetzlosen Zone geworden, in der Beduinenstämme lukrativen Menschenhandel betreiben und alle möglichen Waren in den Gazastreifen schmuggeln, der seit dem Jahr 2007 unter einer Grenzblockade Israels steht.
Ägypten hatte den Grenzübergang Rafah zum Gazastreifen im Mai letzten Jahres für beschränkten Personenverkehr geöffnet. Doch wegen der eskalierenden Sicherheitslage auf der Sinai-Halbinsel erklärte der ägyptische Präsident Mohamed Mursi den Grenzübergang nun wieder für geschlossen.
Hamas-Führer Khaled Meshaal hatte erst am 13. Juli gehofft, dass Morsi den Grenzübergang völlig öffnen wird. Auch Morsi selbst hat kurz vor seiner Wahl zum Präsidenten erklärt, dass "die Zeit gekommen ist, um (den Grenzübergang) Rafah für 24 Stunden das ganze Jahr lang" zu öffnen. Die Eskalation im Sinai dürfte diesen Plan vorerst auf Eis legen, auch um gegen mögliche Anschläge bewaffneter Palästinenser aus dem Gazastreifen vorzugehen.
Israel hatte immer wieder auf die Gefahr hingewiesen, dass bewaffnete Palästinenser aus dem Gazastreifen nach Ägypten und von dort weiter über die Grenze nach Israel eindringen könnten. So auch im August letzten Jahres, als Attentäter sechs israelische Zivilisten und einen Soldaten nahe der südisraelischen Stadt Eilat töteten. Für den israelischen Verteidigungsminister Ehud Barak war damals klar, dass "die wahre Quelle des Terrors im Gazastreifen liegt". Die Hamas und der Gouverneur des Sinais, Abdel Wahab Mabruk, hatten die Anschuldigungen zurückgewiesen. Doch Barak erklärte schon damals, "der Vorfall unterstreicht den lockeren Griff Ägyptens im Sinai und die Ausweitung terroristischer Aktivitäten".
Auch diesmal sollen es laut Israel Palästinenser aus dem Gazastreifen gewesen sein, die sich das Machtvakuum am Sinai zunutze machen. Für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen bedeutet das nichts Gutes. Nach der Schließung des Grenzübergangs Rafah stehen die rund 1,7 Millionen Palästinenser im Gazastreifen erstmals seit mehr als einem Jahr wieder unter einer völligen Grenzblockade, ohne die Möglichkeit auf Ausreise.
Dass Ägypten am Dienstag auch damit begonnen hat, einige Schmugglertunnel zum Gazastreifen abzusperren, wird die Bevölkerung auch wirtschaftlich weiter isolieren und vermutlich gleichzeitig Mursi unter Druck setzen. Denn die Hamas und viele Palästinenser hatten in ihn Hoffnung auf Veränderung gesetzt.
Prüfung für Morsi
"Für Mursi sind die Geschehnisse am Sinai der erste Test in Sachen Sicherheit seit Amtsantritt", sagt Abdel Moneim Said. Teil dieses Tests sei es, Außenpolitik und Innenpolitik unter einen Hut zu bringen. Denn einerseits stehe Mursi unter Druck, die Bevölkerung im Gazastreifen "nicht verhungern zu lassen", meint Said. Das würde nicht nur von der ägyptischen Bevölkerung, sondern auch von seiner eigenen Partei gefordert, den ägyptischen Muslimbrüdern.
Andererseits müsse Mursi in Sicherheitsfragen auch mit Israel zusammenarbeiten. Etwa verlangt der israelisch-ägyptische Friedensvertrag, dass Luftangriffe der ägyptische Armee im Sinai mit Israel abgesprochen werden müssen. "Es ist klar, dass Ägypten hier mit Israel zusammengearbeitet hat", sagt Said.
Doch auch wenn die instabile Sicherheitslage am Sinai die Zusammenarbeit zwischen Israel und Ägypten nun verstärkt notwendig macht, sieht Abdel Moneim Said keine Chance für vertiefende Zusammenarbeit. "Ich will nicht, dass sich die Leute hier zu viele Hoffnungen machen. Mursi wird tun, was nötig ist. Nicht mehr."