Mursi steht für unversöhnlichen | Kurs gegenüber Israel.
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Kairo. Ein offizielles Wahlergebnis wird es erst am Dienstag geben, doch für Ägyptens Muslimbrüder steht bereits fest, dass ihr Kandidat das Rennen gemacht hat: Mohammed Mursi sei Sieger der ersten Runde und das sogar mit klarem Vorsprung, jubeln die Islamisten. Sein Gegner bei den Stichwahlen am 16. und 17. Juni ist demnach Ex-Regierungschef Ahmed Shafik. Die Angaben sind glaubwürdig, da 90 Prozent der Stimmen am Freitag ausgezählt waren und die Islamisten an fast allen Wahlurnen Beobachter postiert hatten.
Das Ergebnis überrascht, denn Mursi ist eigentlich nur der farblose Ersatzmann des von der Wahlkommission im Vorfeld gesperrten Chairat El-Schater. Der fromme Islamist, Ingenieur und Uni-Professor Mursi hat mit den Muslimbrüdern aber eine mächtige Organisation im Rücken, die ihren Einfluss bis in die kleinsten Gemeinden geltend macht.
Auf dem dritten Platz landete offenbar der linke Nationalist und Nasserist Hamdeen Sabahi, Mitbegründer der ägyptischen Demokratie-Bewegung, die den Sturz von Diktator Hosni Mubarak vorbereitet hat. Sabhani war der große Hoffnungsträger der liberalen Ägypter - Mursi hingegen steht für eine knallhart-konservative Linie. "Der Koran ist unsere Verfassung, die Scharia unser Gesetz", skandieren seine Anhänger bei Wahlveranstaltungen. Frauen und Christen sieht man hier nicht, sie haben nach Mursis Ansicht in der Politik nichts verloren. Neben Ägyptens Kopten ist Israel verunsichert. Hat doch der Sieger der ersten Wahlrunde die "Kommission gegen Zionismus" gegründet, mehrfach bezeichnete er die Israelis als "Killer und Vampire".
Mubaraks Wiedergänger
Mit Ahmed Shafik an der ägyptischen Staatsspitze hätte Israel mehr Freude. Er ist ein Pragmatiker und würde das 1979 geschlossene Friedensabkommen von Camp David nicht leichtfertig aufs Spiel setzen. Für seine zahlreichen Kritiker ist Shafik aber der Wiedergänger es alten Regimes und damit ein rotes Tuch. Shafiks Gegner sind wild entschlossen, den ehemaligen Armeepiloten mit allem Mitteln zu bekämpfen. Zuerst Minister unter Hosni Mubarak, wurde Shafik wenige Tage vor dem Sturz des Diktators als Premier eingesetzt - in der Hoffnung, dass er als am wenigsten in Korruption Verwickelter die revoltierenden Massen beruhigen könne. Viele haben Shafik jetzt gerade deshalb gewählt, weil sie sich von ihm Ruhe und Ordnung versprechen. Vor allem ältere Ägypter haben von der dauernden Unsicherheit genug, sie wollen - wie auch die im Tourismus Beschäftigten - stabile Verhältnisse.
Zu den großen Verlierern der Wahl zählt der ehemalige Generalsekretär der Arabischen Liga, Amr Mussa. Er hatte sich große Hoffnungen auf die Präsidentschaft gemacht, war aber in den letzten Tagen von Shafik überrundet worden. Mussa war einst Außenminister unter Mubarak, fiel dann aber in Ungnade. Er sah sich im Wahlkampf mit einer Schmutzkübelkampagne der Islamisten konfrontiert, die ihm einen unsauberen Lebenswandel vorwarfen. Ihm dürfte auch das TV-Duell mit dem unabhängigen Islamisten Abdel Moneim Abul Futuh massiv geschadet haben, das von Millionen Ägyptern live mitverfolgt worden war. Sowohl Mussa als auch Futuh schlugen sich in den Augen der Ägypter so schlecht, dass sie beide nicht mehr in Frage kamen.
Die Angst ist nun groß, dass es nach den Stichwahlen Mitte Juni zu Ausschreitungen kommt. Shafik-Gegner haben bereits angekündigt, dass sie die Straße mobilisieren werden, sollte der Mubarak-Gefolgsmann tatsächlich Präsident werden.