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EU-Staaten wie Italien könnten vom Erdgas-Fund im Mittelmeer profitieren.
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Kairo/Rom. Claudio Descalzi strahlte wie ein erfolgreicher Schatzsucher. Der von ihm geführte Eni-Konzern hatte soeben eine Entdeckung historischer Dimensionen verkündet, das größte jemals im Mittelmeer entdeckte Gasfeld mit einem Förderpotenzial von 850 Milliarden Kubikmetern, "Zohr" genannt. In der aufgeregten italienischen Presse war am Montag gar vom "Schatz des Ali Babà" die Rede. Eni selbst erklärt den Fund zum Ereignis von "Weltbedeutung" und Italiens Premierminister Matteo Renzi gratulierte Eni zu einem "außerordentlichen Ergebnis".
Eni-Geschäftsführer Descalzi, der am Montag nach Italien zurückkehrte, hatte die Nachricht am Samstag persönlich dem ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi überbracht, für dessen Nation die Entdeckung weitreichende Folgen haben könnte. Der Fund des italienischen Energie-Konzerns liegt etwa 150 Kilometer von der Küste entfernt auf ägyptischem Hoheitsgebiet in etwa 4000 Meter Tiefe. Auf etwa 100 Quadratkilometern im Kalkstein befindet sich das Gasfeld, dessen definitive Dimensionen noch nicht feststehen. Descalzi sagte, die ägyptischen Partner seien "elektrisiert" angesichts der Neuigkeit. Aber nicht nur Kairo: Der Aktienkurs des Konzerns, der sämtliche Förder-Lizenzen des Shourouk-Gasfelds vor Port Said in Ägypten besitzt und die Förderung so schnell wie möglich starten will, stieg am Montag um drei Prozent. Bis 2018 könnte die Produktion anlaufen, sagte Descalzi. Doch vor allem Ägypten kann sich auf einen dauerhaften Effekt einstellen. Wie es aus Kairo hieß, sei das Land künftig nicht mehr auf Energieimporte angewiesen und könnte bis zu 20 Jahre lang von den neu entdeckten Reserven zehren. "Ägypten ist nun stärker. Die gesamte Region wird stabiler", war sich Descalzi sicher.
Selbstverständlich hat der Eni-Konzern ein Interesse daran, seinen Energie-Geschäften globale und geopolitische Bedeutung beizumessen. Für das Gleichgewicht in der von Krisen geplagten Region ist der Gasfund jedoch nicht unwesentlich. Insbesondere der umstrittenen und mit einer wirtschaftlichen Flaute kämpfenden Regierung um al-Sisi spielen die Energiereserven in die Hände. Der Präsident steht einem größtenteils vom Militär kontrollierten Regime vor, in dem Menschenrechte missachtet werden und die seit zwei Jahren angekündigten Parlamentswahlen auf sich warten lassen. Andererseits erkennt der Westen in Ägypten einen strategischen Partner, insbesondere im Kampf gegen den militanten Islamismus. Große Erdgasreserven können die Gewichte zugunsten Ägyptens verschieben, das nicht mehr auf Energielieferungen angewiesen sein würde. Zuletzt musste das Land aus Russland und Algerien importieren.
Im geopolitischen Karussell ist die Unabhängigkeit bei der Energieversorgung einer der wichtigsten Faktoren. Angesichts der instabilen politischen Verhältnisse seit dem Sturz von Diktator Hosni Mubarak im Jahr 2011, der Gefahr durch Terror-Gruppen im Sinai-Gebirge oder der Nähe zum gescheiterten Staat Libyen bleiben aber auch die Unsicherheitsfaktoren zahlreich. Italien, das Gas vor allem aus Russland, zu kleineren Anteilen auch aus Algerien und Libyen importiert, ist nun an einem Anschluss an die ägyptischen Erdgasreserven interessiert. Der Eni-Geschäftsführer stellte Transporte per Schiff über die Raffinerie im ägyptischen Damietta in Aussicht, da keine Leitungen nach Italien existieren. Auch andere EU-Staaten könnten künftig durch Zugriff auf das ägyptische Erdgas in ihrer Energieversorgung unabhängiger werden.