Nach Korruptionsvorwürfen gegenüber der Mehrheit des Kabinetts sind Neuwahlen im Oktober angesetzt. Touristen sterben bei Polizeieinsatz.
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Kairo.Der Vorfall ereignete sich in der Wüste auf halbem Weg zur libyschen Grenze. Ägyptische Polizisten und Soldaten waren hinter Terroristen her und schossen auf einen mexikanischen Touristenkonvoi. Dabei starben zwölf Mexikaner und Ägypter, zehn weitere wurden verletzt. Das ägyptische Innenministerium spricht dagegen von zwei Toten.
Es gibt nicht nur unterschiedliche Versionen über die Opferzahlen, sondern auch über den Tathergang. In einer Diktatur ist das üblich, zumal Staatspräsident Abdel Fattha al-Sisi erst vor kurzem ein Anti-Terror-Gesetz unterzeichnete, wonach "Falschinformation" hohe Geldstrafen und in schweren Fällen auch Gefängnis bedeuten kann. Was richtig ist, bestimmen am Nil er und seine Regierung.
Doch diese kam am Wochenende schwer in Bedrängnis. Nachdem sich Premierminister Ibrahim Mehleb bei seinem Besuch in Tunesien kritische Fragen von ortsansässigen Journalisten über die Korruption in seinem Kabinett gefallen lassen musste, verließ er fluchtartig die Pressekonferenz, flog zurück nach Kairo und reichte am Samstag bei al-Sisi den Rücktritt seiner Regierung ein. Anfang vergangener Woche war Landwirtschaftsminister Salah Helal verhaftet worden, gegen weitere Minister gibt es Korruptionsvorwürfe und der Premier selbst steht wegen Mittäterschaft bei der Veruntreuung öffentlicher Geldern während der Zeit des gestürzten Präsidenten Husni Mubarak in der Kritik.
Übergangskabinett
Staatspräsident al-Sisi nahm den Rücktritt der Mehleb-Regierung an. Das Präsidialamt habe einen Bericht aus juristischen Quellen erhalten, der einer Reihe von Ministern Korruption vorwerfe, gab der Staatschef als Begründung an. Gegen diese soll in den kommenden Tagen ermittelt werden. Jetzt soll Sherif Ismail, der Ölminister der zurückgetretenen Regierung, ein neues Kabinett bilden. Binnen Wochenfrist soll dies geschehen, trotz der im Oktober bevorstehenden Parlamentswahlen. Ismail ist kein Unbekannter. Auch er ist ein Mitglied des Mubarak-Regimes. Als graduierter Maschinenbauingenieur arbeitete er lange Jahre für den staatlichen Energiekonzern "Mobil" und wurde zum entscheidenden Zeugen im Prozess um den verbilligten Erdgasverkauf an Israel gegen Mubarak. Seine Aussagen trugen maßgeblich zum Freispruch des despotischen Langzeitherrschers und anderer Angeklagter bei. Während am Anfang der Amtszeit al-Sisis noch peinlich darauf geachtet wurde, dass Schergen des vorigen Regimes nicht mehr in Amt und Würden gelangen, sind sie jetzt wieder auf dem Vormarsch.
Am Wochenende verstrich die Frist zur Einreichung von Bewerbungen für die Parlamentswahlen. Wie die Wahlkommission mitteilte, haben sich 5936 Personen registrieren lassen. Gewählt wird in mehreren Etappen ab dem 17. Oktober. Wer nicht daran teilnehmen wird, ist aus eigener Entscheidung die demokratisch säkulare Wahlkoalition "Ägypten erwache", deren Parteien und Gruppierungen nach der Jänner-Revolution 2011 entstanden sind. Der Koalition gehören Parteien wie Al-Dustour von Friedensnobelpreisträger Al-Baradei an, die Sozialdemokratische Partei, die Gerechtigkeitspartei und andere liberale demokratische Gruppen. Die Chancengleichheit bei den Wahlen sei nicht gewährleistet, lautet die Begründung für ihren Wahlboykott. "Ägypten erwache" galt als eine der wenigen Konkurrenten der Wahlkoalition "In Liebe zu Ägypten", die als "Staatsliste" bekannt ist und in erster Linie Kandidaten aus der Mubarak-Zeit sowie Anhänger von Staatspräsident al-Sisi vereint.