Frattini-Sprecher: "Zu früh für Konsequenzen." | Brüssel. Er habe es selbst nur aus der Zeitung erfahren, sagte der Sprecher von Justizkommissar Franco Frattini am Montag. Ein vom Schweizer Geheimdienst SND abgefangenes Fax von London nach Ägypten soll laut dem Artikel das bisher stärkste Indiz für die Existenz von geheimen CIA-Gefängnissen in Europa sein. Betroffen seien ausgerechnet die nächsten Beitrittsländer Rumänien und Bulgarien.
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Beide Regierungen - sie wollen am 1. Jänner 2007 der EU beitreten - wiesen die Anschuldigungen umgehend "kategorisch" zurück. Sie sind in einer heiklen Lage. Sollte sich der Verdacht nämlich bestätigen, "wäre das ein sehr ernster Fall", sagte Frattinis Sprecher. Nicht nur der Artikel 6 des EG-Vertrags über die Grundwerte der Union, sondern auch die Kopenhagener Kriterien für den EU-Beitritt wären gebrochen.
Noch sei es aber zu früh, um politische und rechtliche Konsequenzen zu ziehen. Derzeit befinde sich die Brüsseler Behörde noch in einer "wichtigen Phase der Informationssammlung". So werde der Sonderermittler des Europarats, der Schweizer Abgeordnete Dick Marty, noch im Jänner Ergebnisse präsentieren. Bis 21. Februar haben die Mitgliedsstaaten des Europarats darüber hinaus Zeit, dessen Generalsekretär Terry Davis darüber zu informieren, was die nationalen Ermittlungen über die möglichen CIA-Aktivitäten in Europa ergeben haben. Die Erhebungen liefen in mehreren EU-Ländern - etwa Italien, Spanien und Deutschland - noch auf Hochtouren.
"Wir werden uns nicht positionieren, bevor wir all diese Informationen haben", erklärte der Frattini-Sprecher. Die "paradoxe Situation" sei nämlich, dass die Kommission zwar die Hüterin der EU-Verträge sei und bei Verstößen Sanktionen verhängen dürfe. Gesetzliche Grundlage für eigenständige Ermittlungen gebe es aber keine.
Ausgelöst hatte die neuen Verdachtsmomente die Schweizer Boulevard-Zeitung "Sonntagsblick" mit dem Abdruck eines angeblichen Faxes aus Ägyptens Botschaft in London an den ägyptischen Außenminister Ahmed Abul Gheit. "Die Botschaft hat aus eigenen Quellen erfahren, dass wirklich 23 irakische Bürger im Stützpunkt Mihail Kogalniceanu bei der rumänischen Stadt Constanta am Schwarzen Meer verhört wurden. Ähnliche Verhörzentren gibt es in der Ukraine, im Kosovo, in Mazedonien und Bulgarien", steht dort zu lesen.