Zugriff auf Rücklagen, um wachsende Ausgaben zu | finanzieren. | Kommunalwahlen am Freitag als Test für die Führung. | Teheran. Außenpolitisch gibt sich Teheran im Atomstreit stark, doch im Inneren gerät die Regierung von Präsident Mahmud Ahmadinejad zunehmend in Bedrängnis: Weil das Wirtschaftswachstum und der Handel einbrechen, wird die populistische Wirtschaftspolitik des Präsidenten inzwischen selbst im konservativen Lager offen kritisiert. Die deutsche Wirtschaft - Irans größter Lieferant - bekommt die konjunkturelle Abkühlung im bevölkerungsreichsten Land des Mittleren Ostens bereits zu spüren.
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Die deutschen Ausfuhren in den Iran gingen in den ersten neun Monaten dieses Jahres erstmals deutlich zurück - um 14 Prozent auf drei Milliarden Euro, berichtet die Deutsch-Iranische Industrie- und Handelskammer in Teheran. Irans Exporte nach Deutschland sanken sogar um ein Viertel auf 295 Mill. Euro. 2005 hatten die Ausfuhren in Deutschlands wichtigstes Abnehmerland in der Region noch um 24 Prozent auf 4,5 Milliarden Euro zugelegt.
Es gibt drei Hauptgründe für diese Entwicklung: das verschärfte US-Embargo, etwaige UN-Sanktionen und hausgemachte Probleme. "Iran hat erhebliche Wirtschaftsprobleme, die bisher mit dem süßen Gift der hohen Öleinnahmen betäubt werden", analysiert ein Beobachter in Teheran. Die Exporterlöse von Erdöl machen 80 Prozent des Handels aus und bringen 60 Prozent der Staatseinnahmen. Ahmadinejad greift in die Rücklagen des Öl-Stabilisierungsfonds, um seine ausufernden Ausgaben zu finanzieren. Die Führung gibt Milliarden für die Subventionierung von Benzin und Grundnahrungsmitteln aus, um die unzufriedene Bevölkerung zu beruhigen.
Die Folge von Ahmadinejads Wirtschaftspolitik ist eine auf über 15 Prozent gestiegene Inflation, die Kapitalflucht wächst. Das Wirtschaftswachstum in dem 70 Mill. Einwohner zählenden Land wird 2006 nach Berechnungen des Internationalen Währungsfonds auf 5,4 und 2007 sogar auf 4,9 Prozent fallen - nach 6,7 Prozent im letzten Amtsjahr von Ahmadinejads Vorgänger, dem Reformer Mohammad Khatami.
Die Zahlen sind weit entfernt vom 20-Jahres-Visions-Plan der Islamischen Republik Iran, der acht Prozent jährliches Wachstum anstrebt. Revolutionsführer Ayatollah Ali Khamanei tadelt Ahmadinejad mittlerweile immer öfter und erinnert ihn daran, dass die Verfassung Privatisierungen vorsieht.
In Robin-Hood-Manier
Ungeachtet der Kritik setzt die Regierung "Gerechtigkeitsaktien". 4,6 Millionen der ärmsten Iraner bekommen faktisch kostenlos Anteilsscheine an 337 000 Staatsbetrieben im Wert von jeweils etwa 450 Euro. Die Dividenden sollen ihnen ein Zubrot sichern. Die Bevölkerung hat sich seit der Revolution 1979 verdoppelt und wächst weiter. Weil die Wirtschaft bei weitem nicht Schritt hält, steigt auch die (Jugend-)Arbeitslosigkeit. Sie liegt offiziell inzwischen bei zwölf Prozent, inoffiziell sind es fast doppelt soviel.
Ungeduldig werden auch Ahmadinejads Gefolgsleute: So fordert Vize-Parlamentspräsident Hamid-Reza Hajibabai im Gespräch mit dem "Handelsblatt", Ahmadinejad solle erst viel nachdenken und erst dann handeln. Denn die Wirtschaftspolitik wird zu einer schweren Hypothek für die Wahlen am Freitag, der ersten Nagelprobe für die Stellung des Präsidenten. Das konservative Lager tritt bei den Wahlen in allen Kommunen und auch bei der Wahl zum wichtigen Experten-Rat zerstritten an, der die Politik des Revolutionsführers kontrolliert. Dagegen haben die Reformer aus der verlorenen Präsidentschaftswahl die Konsequenz gezogen und eine gemeinsamen Wahlliste gebildet.
Anti-Israel-Parolen
Kurz vor dem wichtigen Testlauf nutzte Ahmadinejad die weltweit scharf kritisierte Holocaust-Leugner-Konferenz als Sprachrohr, um zu einem neuerlichen Rundumschlag gegen Israel auszuholen.
In den Augen des Hardliners sind Israels Tage "gezählt". "Genauso wie die Sowjetunion vernichtet wurde und heute nicht mehr existiert, wird das zionistische Regime bald vernichtet werden. Mit Gottes Segen läuft der Countdown für den Zerfall Israels, und dies ist der Wunsch aller Nationen der Welt", sagte Ahmadinejad zum Abschluss der Tagung am Dienstagabend.
Die Replik aus Israel erfolgte umgehend: Ahmadinejad verkörpere "einen Antisemitismus ... der schlimmsten Art", so Ministerpräsident Ehud Olmert. Washington bezeichnete die die "Holocaust-Konferenz" als "Perversion". Die "Versammlung von Holocaust-Leugnern" in Teheran sei ein "Affront für die gesamte zivilisierte Welt und für die traditionellen iranischen Werte Toleranz und gegenseitige Achtung", hieß es in der Erklärung der US-Regierung. Auch die EU-Staaten, allen voran Deutschland reagierten empört.