Selbstsicherer Auftritt vor der UN-Vollversammlung: Im Atomstreit schließt Irans Staatschef Fortschritte vor der US-Wahl aus.
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Auch wenn der Iran in der Schusslinie steht, Präsident Mahmoud Ahmadinejad zeigte sich so unverfroren kampfbereit wie immer, ging über Israels militärische Drohungen hinweg und prophezeite, dass bei den Atomverhandlungen bis nach der US-Präsidentschaftswahl nichts passieren werde. Im Interview während seines UNO-Besuchs zeigte sich Ahmadinejad ungerührt angesichts der monatelangen Spekulationen über Bombenangriffe und angesichts des prekären Zustands seiner Verbündeten in Damaskus.
Das Gespräch war eine Fallstudie des Hin-und-her-Stils, der Ahmadinejad zum Überlebenskünstler der iranischen Politik gemacht hat. Er äußerte die Bereitschaft, über eine Reihe von Themen zu verhandeln, und zog sich, nach Details gefragt, auf Gemeinplätze zurück. Sein Tonfall war ruhig, auch wenn es um den möglichen Zusammenprall mit Israel ging. Gefragt, ob er glaube, dass Ministerpräsident Benjamin Netanyahu mit seinen Angriffsdrohungen nur bluffe, sagte Ahmadinejad, diese Auffassung sei "allgemeiner Konsens".
Ahmadinejads ironische Selbstsicherheit ist zum Teil eine Frage des Stils. Kein Politiker möchte jemals Gegnern Schwäche zeigen, aber in diesem dritten Interview, das ich mit ihm geführt habe, hatte ich das Gefühl, er glaubt ernsthaft, die Welt drehe sich um den Iran. Die USA sieht er mit Meinungsumschwüngen quer durch die muslimische Welt konfrontiert - in den Kriegen im Irak und in Afghanistan und im Umgang mit den arabischen Aufständen. Enge US-Verbündete wie Ägyptens Hosni Mubarak sind weg und Ahmadinejad ist noch an seinem Platz.
Zum Thema der Atomverhandlungen mit der internationalen P5+1-Gruppe sagte Ahmadinejad, der Iran sei gewillt, ein Abkommen zu treffen, seinen Vorrat an angereichertem Uran zu begrenzen. Aber Washington wolle das Verhandlungstempo bis nach den Wahlen im November drosseln, um für Obama peinliche Zugeständnisse zu verhindern.
Über die USA sagte Ahmadinejad wiederholt, sie seien der "selbstmörderischen Kriegsausgaben" müde und die öffentliche Meinung tendiere gegen Israel. "Wird die US-Bevölkerung Einmischung in die Angelegenheiten anderer akzeptieren?", fragte er: "Ich glaube nicht. Ich glaube, dass die Bürger der USA friedliebende Menschen sind."
Der Iran wolle vermittelnd helfen, die Kämpfe in Syrien und Afghanistan zu beenden, so Ahmadinejad. Das schwierigste Thema in jedem Gespräch mit ihm ist jedoch Israel, und diesmal war es nicht anders. Bedrängt, warum er immer wieder Stellungnahmen abgibt, die Israel als Hassreden einstuft, wehrte er sich mit einer ganzen Reihe von Fragen über die israelische Besetzung arabischer Gebiete. Der Bitte, die Existenz Israels anzuerkennen, wollte er nicht nachkommen.
Ahmadinejads Amtszeit endet nächstes Jahr. Theoretisch könnte das also sein letzter Besuch in New York als iranischer Präsident gewesen sein. Es ist aber nicht sehr wahrscheinlich, dass er kampflos aus der iranischen Politik verschwinden wird - und von der Weltbühne.
Übersetzung: Redaktion