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Ahmadinejad kämpft mit Widerstand

Von Arian Faal

Politik

Teheran/Wien. Seit zwei Tagen toben im Iran die Mullahs. Im Blickpunkt der Kritik sind diesmal jedoch nicht die Frauen, die ihr Kopftuch zu salopp tragen, sondern Präsident Mahmoud Ahmadinejad persönlich. Er hat gegen den Sittenkodex verstoßen und im TV seiner 70-jährigen früheren Volksschullehrerin die Hand geküsst.


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Auch die ihm sonst wohlgesonnen Medien schossen sich auf ihn ein und warfen Ahmadinejad, der einen sittenstrengen Islam propagiert, "Unanständigkeit" vor. Nach dem im Iran geltenden Sittenkodex darf ein Mann eine Frau in der Öffentlichkeit nicht berühren. Es war das erste Mal in der 28-jährigen Geschichte der Islamischen Republik, dass ein Staatsmann öffentlich die Anweisung ignorierte. Nun hagelt es Kritik, nicht nur wegen dem "Ausrutscher".

Der Welt wird "der gefährlichste Regierungschef der Welt", "der kleine Mann mit der spitzen Zunge", "der Präsident, vor dem Washington zittert" - und wie ihn westliche Medien sonst noch titulierten - von einer neuen Seite präsentiert. Der Tenor: Eigentlich ist er ja "nur" ein rhetorisch provokanter Präsident mit der nicht zu bewältigenden, immer schwerer werdenden Last auf den Schultern, viele große Herausforderungen bewältigen zu müssen. Denn sein Startbonus als "Robin Hood" der Armen ist dahin.

Die Rügen Khameneis

Irans geistliches Oberhaupt, Ayatollah Ali Khamenei, der in allen politischen Fragen das letzte Wort hat, wendet sich immer mehr von seinem Schützling ab und spricht oft ein Machtwort. Etwa sprach er sich gegen einen Zugang für Frauen im Fußballstadion aus, bezeichnete die Holocaust-Aussagen Ahmadinejads als kontraproduktiv und gab den Befehl, die 15 britischen Soldaten freizulassen. Neben dem Atomstreit wird es also ein "heißer" innenpolitischer Sommer für Ahmadinejad: Der Iran steckt wegen hoher Arbeitslosigkeit, steigender Staatsverschuldung und wachsenden Problemen in der Erdölindustrie in einer schweren wirtschaftlichen Krise. Selbst das mehrheitlich aus seinen Anhängern bestehende Parlament hatte noch vor Verkündung von UN-Sanktionen die Amtszeit des Präsidenten um ein Jahr verkürzt, damit 2009 nicht Parlaments- und Präsidentenwahlen stattfinden. Die Abgeordneten wollten nicht im schweren Fahrwasser des Präsidenten kentern.

In Teheran, wo alles entschieden wird, tobt seit Beginn der Islamischen Revolution ein Machtkampf rivalisierender Flügel. Mit dem Amtsantritt von Ahmadinejad im August 2005 hat sich eine neue Konstellation herausgebildet. Die Gruppe um ihn ist den Ideen des Revolutionsgründers Ayatollah Khomeini verpflichtet. Ihre Hausmacht sind die Revolutionswächter, die auch die britischen Soldaten gefangen genommen hatten. Wirtschaftlich wollen sie ein autarkes Iran, außenpolitisch plädieren sie für einen Crashkurs gegen die USA und Israel.

Ideologisch fürchten sie, dass eine Integration in die Staatengemeinschaft und die Weltwirtschaft die Authentizität der Revolution weiter gefährden würde. Sie nennen es "teuflische Verwestlichung". Doch diese Isolationisten geraten unter Druck. Nicht wenige, die dem Präsidenten zur Wahl verholfen hatten, wenden sich von ihm ab. Khamenei tadelt ihn häufiger, und mit ihm stimmt sich Ahmadinejad weniger ab als jeder Präsident vor ihm. Viele sprechen bereits über die Zeit nach Ahmadinejad.

Koalition der Besorgten

Als Opposition zum Kreis um Ahmadinejad hat sich eine neue "Koalition der Besorgten" formiert. Ihr gehören Pragmatiker und Reformer wie die Expräsidenten Ali Akbar Rafsanjani und Mohammad Khatami sowie selbst ehemalige Gefolgsleute des Präsidenten wie der Teheraner Oberbürgermeister Mohammad Bagher Ghalibaf an. Sie eint die Sorge, dass er das Land mit seiner Rhetorik weiter in die Isolation treiben und einen Krieg gegen den Iran provozieren könnte. Daher wollen sie Teheran politisch und wirtschaftlich in die Staatengemeinschaft integrieren. Rafsanjani mahnt unaufhörlich zu einer behutsamen Außenpolitik. Die präsentierte Atom-Chefunterhändler Ali Larijani, als er - in Absprache mit Khamenei - die Freilassung der Engländer einfädelte. In diesem Sommer werden im Iran wichtige wirtschaftliche und politische Weichen gestellt. Vielleicht ist es die letzte Chance Ahmadinejads.