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Mahmud Ahmadinejads historischer Mekka-Besuch wird nicht ohne Folgen bleiben. Die Reise war - wie jeder seiner Auftritte - perfekt inszeniert, der Zeitpunkt wurde bewusst gewählt (im Iran stehen in Kürze Parlamentswahlen an), und die Hauptbotschaft kam an, ob in Washington oder Paris: Der Iran ist eine Regionalmacht im Mittleren Osten, an der keiner vorbeikommt.
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Zum ersten Mal seit der Islamischen Revolution im Jahr 1979 hat ein amtierender iranischer Präsident inmitten weißgekleideter moslemischer Pilger aus aller Welt den heiligen Boden von Mekka geküsst. Wenn man sich noch auf der Zunge zergehen lässt, dass diese Pilgerreise auf Einladung des saudischen Königs Abdullah erfolgte, dann bekommt der Sunniten-Schiiten-Konflikt einen ganz neuen Geschmack.
Dass der sunnitische "Wächter der Heiligen islamischen Stätten", König Abdullah, den Präsidenten des einzigen von religiösen Schiiten geführten Landes zur Pilgerfahrt lud, war ein Versuch, den tiefen Graben zwischen den islamischen Religionsströmungen zu überwinden. Ein Graben, der seit dem Irakkrieg bedrohlich tiefer geworden war: Die von überwiegend pro-iranischen Schiiten geführte Bagdader Führung beschuldigt - ebenso wie Teheran - die Saudis schon seit langem, die blutige Rebellion der Sunniten tatkräftig zu unterstützen.
Umgekehrt haben sunnitische Herrscher am Persischen Golf, in Jordanien und Ägypten fürchterliche Angst vor dem neu auflebenden schiitischen Halbmond unter der Federführung Teherans. Hinzu kam jahrelang die Angst vor einer iranischen Atombombe. Doch seit der US-Geheimdienst Entwarnung gegeben und Teherans atomare Ambitionen als beendet erklärt hat, beginnt sich das Bild zu wandeln.
Ahmadinejads Pilgerfahrt passt in die Reihe der derzeitigen diplomatischen Initiativen, die alle Teherans Machtaufstieg untermauern. Anfang Dezember hat der Emir von Katar erstmals in der 25-jährigen Geschichte des Golfkooperationsrates einen iranischen Präsidenten zum Gipfeltreffen eingeladen. Weder Katar, das den größten US-Militärstützpunkt am Golf beherbergt, noch König Abdullah konnten Washingtons Erzfeind ohne Absprache mit den Amerikanern zu sich laden.
Ebenso wie ein anderer Freund der USA in der Region: das mit dem Iran seit der Revolution 1979 bitter verfeindete Ägypten. Zum ersten Mal seit fast 29 Jahren statteten hochrangige ägyptische und iranische Diplomaten einander Besuche ab, und Ahmadinejad hat bereits hocherfreut seine Bereitschaft angekündigt, das Land am Nil jederzeit aufzusuchen.
Irans Präsident verfolgt bei all diesen Aktionen zwei strategische Ziele: Er will Irans Status als Paria-Staat abschütteln, ohne sich dem Westen zu beugen, und gleichzeitig seine regionale Führungsrolle festigen. Siehe Seite 8