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Ahnungslos, aber aufgeregt

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
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Das Grundsätzliche ist ja nicht wirklich die Stärke der gelernten Österreicher, auch nicht der gewordenen. Eher schon gilt die Devise "Wir wer’n kan Richter brauchen" als handlungsleitendes Motto für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Diese pragmatisch-schlampig-subversive Alltagsstrategie, den obrigkeitsfixierten Verwaltungsstaat einen guten Mann sein zu lassen, passt nur so gar nicht zur Leidenschaft, bei jeder Gelegenheit gleich das größtmögliche Prinzip bedroht zu wähnen.

Oder anders formuliert: Warum bricht eine emotionale Debatte über das Demonstrationsrecht aus, obwohl niemand dieses infrage stellt, einfach nur, weil die Polizei einen Aufmarsch zwielichtiger Chaoten zu unterbinden versucht? Dass der Polizei das wahrscheinlich nicht gelingen wird, ist nicht wirklich ein satisfaktionstaugliches Gegenargument.

Unser gesamte politische Kultur ist so auf Konsens ausgelegt, dass wir irgendwann verdrängt haben, dass Streit und Auseinandersetzungen zur Demokratie gehören. Ohne verschiedene Ansichten und widerstreitende Lösungsvorschläge keine (Aus-)Wahl. Dass es uns trotzdem völlig normal scheint, dass sich ausgerechnet diejenigen ständig in den Haaren liegen, die eigentlich kooperieren sollten - also etwa SPÖ und ÖVP in der Regierung und FPÖ, Grüne, Team Stronach und Neos in der Opposition -, ist nur ein weiterer Beweis, dass wir einige eher grundsätzliche Dinge in einer Demokratie noch nicht ganz verstanden haben.

Dazu zählt, unter anderem, der offensichtlich für viel zu viele völlig unverständliche Gedanke, dass alles, was nicht ausdrücklich verboten ist, genau deshalb erlaubt sein muss. Das ist, als Prinzip des Zusammenlebens, so simpel, dass es schon wieder selbstverständlich sein müsste. Zumindest nach einer nunmehr ununterbrochenen 70-jährigen Erfahrungszeit mit den Grundzügen demokratischer Spielregeln.

Ist es aber nicht. Und deshalb diskutieren wir noch im Jahr 2015 aufgeregt, ob schlagende Burschenschafter einen Ball veranstalten dürfen und Linke dagegen demonstrieren. Sie dürfen, beide nämlich. Und natürlich darf die Polizei auch eine Demonstration untersagen, wenn sie stichhaltigen Anlass zur Vermutung hat, dass von dieser eine Gefährdung von öffentlicher Ordnung und Sicherheit ausgehen könnte.

Kein Grund zur Aufregung, pure Routine.