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Akademie der Wissenschaften verliert ein weiteres Mitglied

Von Eva Stanzl

Wissen

Sprachforscherin Ruth Wodak tritt aus, lange angespanntes Verhältnis zur ÖAW.


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Wien. Die Zahl der Austritte steigt auf drei: Mit Ruth Wodak verzeichnet die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) einen weiteren prominenten Verlust. In einem der Austria Presse Agentur vorliegenden Brief an ÖAW-Präsident Helmut Denk hat die Sprachwissenschafterin in der Vorwoche ihren Austritt als korrespondierendes Mitglied bekanntgegeben.

Am Montag wollte die ÖAW den Brief allerdings noch nicht bekommen haben: "Beim Präsidenten ist noch kein Schreiben eingelangt", sagte ÖAW-Sprecherin Marianne Baumgart zur "Wiener Zeitung". Wodak, die an der University of Lancaster rhetorische Strategien des Nationalsozialismus erforscht, bestätigte gleichermaßen ihren Austritt.

Mit der Molekularbiologin Renee Schroeder und dem Ökonomen Gunther Tichy hatten zuvor unabhängig voneinander zwei renommierte Forscher ihre Akademie-Mitgliedschaft zurückgelegt. Schroeder hatte in ihrem Anfang Mai veröffentlichten Schreiben ihren Austritt unter anderem mit der "Solidarität mit jenen exzellenten WissenschaftlerInnen, denen es wegen ihres kulturellen Hintergrundes oder ihrer politischen Einstellung nicht möglich ist, Mitglied dieser Gesellschaft zu werden" begründet. Sie hatte kritisiert, dass mit Wodak und dem Atomphysiker Hans-Jörg Schmidmayer gleich zwei Träger des Wittgenstein-Preises nicht zu "wirklichen Mitgliedern" der ÖAW gewählt wurden.

Das angespannte Verhältnis zwischen der Linguistin und der Akademie ist bekannt. 1996 war sie mit Österreichs höchstem Wissenschaftsförderpreis ausgezeichnet worden, wandte aber nach Auslaufen dieser Förderung Wien den Rücken zu und ging an die University of Lancaster in Großbritannien. Die ÖAW, wo Wodak ihr Wittgenstein-Forschungsprojekt angesiedelt hatte, habe nach dessen Ende "das Forschungszentrum nicht unterstützt, mich als Leiterin nicht akzeptiert und mein Team und das aufgebaute und international sehr anerkannte Zentrum für Diskursforschung dadurch zerstört", hatte sie nach Auslaufen des Projekts im Jahr 2000 erklärt.

"Lieber dabei sein, wo man mich willkommen heißt"

Im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" betonte Wodak am Montag: "Diese Geschichte ist schon länger her. Ich bin nicht deswegen ausgetreten; eher, weil sich so wenig seither verändert hat. Letztlich bin ich ausgetreten, weil ich mehrfach nicht zum wirklichen Mitglied gewählt wurde, trotz meiner vielfachen Auszeichnungen und des Wittgenstein Preises. Im Zuge der letzten Wochen habe ich festgestellt, dass ich lieber Mitglied bin, wo man mich willkommen heißt." Und sie fügt hinzu: "Es gab immer wieder Geschichten mit frauenfeindlichen Äußerungen, ebenso wie Probleme, interdisziplinäre Forschung betreffend, in der ÖAW. Die Gelehrtengesellschaft müsste zudem unbedingt von der Forschungsförderung getrennt sein."

"Ich bedauere den Austritt von Frau Wodak ganz besonders", erklärteSigrid Jalkotzy-Deger, Präsidentin der philosophisch-historischen Klasse der ÖAW: "Ich habe selbst für sie gestimmt." Demnach waren fünf Stellen für wirkliche Mitglieder ausgeschrieben, Wodak sei im ersten Wahlgang von sieben Kandidatinnen unter den ersten fünf gewesen, jedoch in der Gesamtsitzung ausgeschieden. "Wahlen könne eine eigene Dynamik annehmen", räumt die Archäologin und Historikerin ein. "Ich hätte mir gewünscht, dass Renee Schroeder mehr Reklame für Ruth Wodak macht." Deren Kritik einer kulturell oder politisch begründeten Entscheidung weist Jalkotzy-Deger zurück. "Das stimmt einfach nicht."