Zum Hauptinhalt springen

Aktien wie im Supermarkt

Von Alexander Eberan

Gastkommentare

Die Börsen zwischen Hoffen und Bangen: Viele gute Aktien sind jetzt um 20 Prozent billiger als zu Jahresbeginn.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 4 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Die Zwischenbilanz des bisherigen Börsenjahres erinnert an die viel zitierte Hochschaubahn. Startete das Jahr noch mit neuen Rekorden an den Aktienmärkten, so war spätestens Ende Februar klar, dass das Coronavirus keine rein asiatische Angelegenheit bleiben würde. Die Börsen gingen Anfang März in den Krisenmodus und erlebten einen Rückgang in einem Satz ohne nennenswerte Kurserholung. Der "Schwarze Schwan" hatte zugeschlagen: ein Ereignis, das völlig unberechenbar und wie aus dem Nichts ein System beinahe aus den Angeln hebt. Zwischenzeitlich scheint der März-Schock etwas verdaut, und es wird Zeit, sich wieder nach soliden Werten an den Börsen umzusehen.

Monetärer Tsunami

Wie bei jeder Krise ist trotz der Dramatik ein nüchterner Blick empfehlenswert. Diesmal waren die Vorzeichen im doppelten Sinne anders. Auf der einen Seite mediale und reale Panik, da das Virus bei uns allen im Alltag angekommen ist und Verunsicherung ausgelöst hat. Andererseits aber auch die Erkenntnis, dass die Ursache nicht in der Wirtschaft zu suchen ist, wie etwa im Jahr 2008 innerhalb des Finanzsektors, sondern eben extern durch ein kleines Virus ausgelöst wurde. Obwohl die Maßnahmen anfänglich rigorose Einschnitte erforderten, war schnell klar, dass auch die Erholung nicht lange auf sich warten lassen würde.

Die Politik startete beispiellose Hilfsprogramme rund um den Globus. In Summe stehen weltweit mittlerweile rund 7 Billionen Dollar an Hilfen, Förderungen und sogar Helikoptergeld, also Geldgeschenke quer über die Bevölkerung, bereit. Dieser monetäre Tsunami trifft nun auf eine sich verknappende Güternachfrage und sogleich wurden Stimmen laut, dass dies die Inflation in kurzer Zeit anheizen könnte. Gold hat folgerichtig den Weg nach oben gefunden und Rohöl sackte aufgrund der abfallenden Wirtschaftsleistung ab. Ein Streit der weltweit führenden Ölproduzenten verschärft diese Krise noch, sodass der Rohölpreis derzeit auf dem niedrigsten Niveau seit Jahrzehnten notiert. Ein Ende nach unten ist in diesem erbarmungslos absurden Streit und der massiven Überproduktion aufgrund sinkender Nachfrage und übervoller Lager nicht abzusehen. Billige Rohstoffe sind aber grundsätzlich für die Unternehmen positiv.

Die Nebel lichten sich rasch

Knapp zwei Monate nach Ausbruch der Krise in Europa sollte man erste Schlussfolgerung für die weitere Zukunft ziehen. Das Bankhaus Krentschker hat schon früh den Vergleich zu anderen pandemieartigen Krankheiten der vergangenen 30 Jahre gezogen und aufgezeigt, dass diese das Zeug haben, abgestürzte Börsen überproportional schnell wieder aufzurichten. Sehr oft wurden in der Vergangenheit in darauffolgenden Monaten sogar neue Höchststände an den Aktienmärkten verzeichnet, sodass eine rasche Erholung auch diesmal nicht wirklich überraschend ist. Solche Krankheitsverläufe starten explosionsartig, aber wurden bisher immer wieder sehr schnell unter Kontrolle gebracht. So auch diesmal. Die Börsen haben dies honoriert und sich vom März-Schock schon wieder deutlich erholt. Überholt sind die ersten Horrorschätzungen von Ökonomen, die einen BIP-Absturz von bis zu 25 Prozent für die führenden Wirtschaftsnationen vorhergesagt hatten. In der Zwischenzeit hat man sich auf mittlere einstellige Minuszahlen in der Erwartung eingependelt. Etwa die Hälfte des Absturzes ist an den Aktienbörsen wieder aufgeholt. Die Frage, wie es in der Wirtschaft weitergeht, ist für mittelfristige Anleger weiter sekundär.

Zu Investments stehen

Klar ist, dass die Erholung kommen wird. Die ersten Maßnahmen wirken sehr gut und das Hochfahren der Wirtschaft beginnt, wie der Frühling die Temperaturen steigen lässt. Die "alte" Normalität wird zwar sicherlich erst mittelfristig mit einer erfolgreichen Impfung erreicht, aber sie wird erreicht werden. Und alleine das ist aktuell wichtig. Darüber hinaus sollte man in dieser turbulenten Zeit zu seinen Investments stehen beziehungsweise den offenen Supermarkt der Wertpapiere zum Nachkauf nutzen, da viele gute Werte um 20 Prozent billiger als zu Jahresbeginn sind.

Zusätzlich muss man überlegen, welche Unternehmen von dieser Krise profitieren werden. Die Digitalisierung wird schneller vorankommen, und alle Firmen, die in diesem Segment ihr Geld verdienen, stehen auf der Einkaufsliste ganz oben. Aber auch Firmen im Gesundheitswesen oder in der Energiegewinnung können punkten. Speziell auch Ölwerte werden nach dem Streit der OPEC+ und der aktuellen Überproduktion wieder ihren Weg nach oben finden. Auf alle Fälle müssen sie nach innen kerngesund sein, genug Vermögensreserven halten und Platzhirsche ihrer Branche sein.

Vorsicht ist allerdings bei Unternehmen, die im weiteren Sinne im Tourismus beheimatet sind oder damit ihr Geld verdienen, angebracht. Diese werden noch länger bis zur "Normalität" brauchen. Doch auch unter ihnen kann man sich spekulativ die gesündesten Exemplare heraussuchen und in diese investieren, denn sie werden aktuell deutlich unter Buchwert gehandelt. In diesem Segment ist die Diversifikation noch wichtiger, aber der Hebel zum möglichen Erfolg dafür umso attraktiver.

Rückschläge an den Börsen

Schlechte Unternehmensmeldungen, die jetzt vermehrt auf den Markt kommen, werden weiter zwischenzeitlich zu Rückschläge an den Börsen führen. Es wird erkennbar sein, dass für längere Zeit die "neue" Normalität nicht die "alte" Normalität sein wird. Verluste, verlängerte Kurzarbeit und Hilfsgesuche machen täglich die Runde. So zeigte der vom Zentrum für europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) im APril erhobene Index der momentanen Konjunkturlage mit minus 91,5 Punkten ein düsteres Bild, jedoch stieg der Index der Konjunkturerwartung auf ein Niveau von 28,2 Punkten an. Das war gegenüber dem Vormonat eine deutliche Verbesserung. Diese Konstellation zwischen aktueller Lage und Zukunftserwartung gab es zuletzt in der Finanzkrise im April/Mai 2009.

Damals wie heute gilt aber, dass an den Börsen die Zukunft und nicht die Gegenwart gehandelt wird. In den nächsten Monaten muss nun genau beobachtet werden, ob die Krise nun effektive Insolvenzen mit sich zieht, wie die Banken, die in der Regel deutlich besser als vor zehn Jahren aufgestellt sind, diese Last abfedern können und ob staatliche Hilfsprogramme die finanzielle Stabilität gefährden.

Neues altes Szenario

Auf Italien muss besonders geachtet werden, wenngleich Europa eine Lösung finden wird, wenn auch nicht in gemeinsamen Euro-Corona-Bonds. Da die Renditeaufschläge für die verschuldeten und in der derzeitigen Krise besonders belasteten Staaten aktuell weiterhin nahe dem Normalbereich liegen, liegt der Schluss nahe, dass die EZB bereits im Hintergrund sehr aktiv die Fäden zieht. Somit gilt als wahrscheinlichstes Szenario, dass die Zinsen weiterhin niedrig bleiben und die Beschwörer der Hyperinflation noch weitere Jahrzehnte auf die Erfüllung ihrer Prognosen warten müssen.

Die zusätzliche Geldmenge, die nun in signifikant höherem Ausmaß als in der letzten Finanzkrise auf den Markt kommt, wird erstens von den Notenbanken wieder rechtzeitig vom Markt abgezogen werden, und zweitens wird ein noch größerer Teil davon in Wertpapiere, speziell Aktieninvestments, wandern. Somit hätten wir exakt das gleiche Szenario, das uns nun schon in den vergangenen Jahren seit der Finanzkrise 2008 begleitet hat.

Das alles sind Anzeichen einer mittelfristig sehr positiven Entwicklung auf den Aktienmärkten, die primär nur durch einen herben Rückschlag in der Bekämpfung des Virus gestört werden kann. Eine zweite Infektionswelle oder das Ausbleiben eines mittelfristig verfügbaren Impfstoffs wären nicht nur aus dem Aspekt der Gesundheit heraus eine schlimme Situation, sondern würden auch das jetzige Marktniveau keineswegs mehr rechtfertigen. Aber die aktuellen Nachrichten aus der Medizin können uns durchaus optimistisch in die Zukunft blicken lassen.