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Aktienbesitzer für mindestens zwei Sekunden

Von Barbara Ottawa

Wirtschaft

In Deutschland flammt die Debatte um den Hochfrequenzhandel neu auf: Der Fondsverband verlangt ein Verbot von Aktienverkäufen im Sekundentakt.


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Einundzwanzig, Zweiundzwanzig - und schon haben wieder Milliarden An- und Verkäufe diverser Wertpapiere an den Börsen dieser Welt stattgefunden. Das ist "High Frequency Trading" (HFT), auf Deutsch Hochfrequenzhandel. Dafür werden Computer programmiert, kleinste Preisbewegungen an den Börsen zu erkennen und Wertpapiere nach bestimmten Parametern zu kaufen und zu verkaufen.

HFT spielt sich im Millisekundenbereich ab und macht mittlerweile knapp die Hälfte des Börsenhandels in den USA aber auch in der Schweiz aus. Im Rest Europas dürfte der Anteil erst bei 40% liegen. Menschen können auf die daraus resultierenden Marktbewegungen nicht schnell genug reagieren.

Deshalb werden immer wieder Stimmen laut, die eine stärkere Regulierung des Hochfrequenzhandels fordern, wie zuletzt die des deutschen Fondsverbandes BVI: "Mindesthaltezeiten von beispielsweise ein bis zwei Sekunden würden darauf hinwirken, dass die Auftraggeber nur solche Orders aufgeben, bei denen ein ernsthaftes Interesse an einem tatsächlichen Wertpapiergeschäft besteht."

Derzeit machen sich HFT-Programmierer nämlich den Umstand zu nutze, dass keine zusätzlichen Gebühren für nicht angekündigte aber nicht ausgeführte Wertpapiertransaktionen, sogenannte "Orders", anfallen.

Laut dem BVI und anderen Kritikern werden dadurch die Handelsvolumina an den Börsen künstlich aufgebläht und es entstehe der Eindruck hoher Liquidität, die aber tatsächlich oft nicht gegeben sei. Wenn andere Investoren die Chance zum Kauf nutzen wollen, gibt es vielfach keine handelbaren Wertpapiere, weil der angekündigte Verkauf nicht stattgefunden hat.

Eine dokumentierte Mindesthaltedauer soll laut BVI hier Abhilfe schaffen. Dass diese mit zwei Sekunden noch immer weit unter dem liegt, was allgemein unter einer langfristigen und nachhaltigen Aktienstrategie verstanden wird, bei der Aktionäre das Unternehmen über einen längeren Zeitraum begleiten und aktiv mitentscheiden sollten, ist klar.

Neben dem HFT gibt es nämlich noch etliche andere computergestützte Handelsstrategien, die von fast allen Anlegern und Fonds angewandt werden. Angefangen von simplen Stop-Loss-Limiten, also Grenzwerten, bei denen automatisch ein Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers vorgenommen wird, bis hin zum "algorithmischen Handel", für den komplexere Modelle programmiert werden. Diesen will der BVI klar vom HFT getrennt wissen, denn dieser werde "in der Fondsbranche für eine kostengünstige Abwicklung eingesetzt" und komme "der Fondsperformance der langfristigen Anleger", so die Interessensvertreter. Durch die immer schneller werdende Technik kann jedoch eine falsche Programmierung im Schneeballeffekt binnen Sekunden Millionen von Fehltransaktionen auslösen, die wiederum Panik unter den Anlegern verbreiten kann. Oder es ist der "dicke Finger" eines Börsenhändlers, der die Lawine zum Rollen bringt. "Fat finger" nennt man vor allem in der Investmentwelt einen simplen Tippfehler.

Barbara Ottawa ist freie Journalistin und berichtet vorwiegend über Investitionen und Pensionskassen.