Verwaltungsrichter verbieten Firmen ohne Bankkonzession den Aktienhandel. | Rechtsexperte Martin Karollus: "In der Praxis ist das eine Katastrophe". | Wien. Sie haben Geld auf Ihrem Konto, das Sie eine Zeit lang nicht brauchen? Jeder Anlageberater wird ihnen nahelegen, dieses zu veranlagen; womöglich in Aktien. Was für Hinz und Kunz selbstverständlich ist, soll Unternehmen verboten sein: Das legt zumindest der Verwaltungsgerichtshof nahe (GZ 2007/17/0208). | Sorge vor Regulierung muss man immer haben | Eiertanz um Eigenhandel der Banken | Hedgefonds-Cowboys sind Geschichte
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Und das, wo praktisch alle großen Unternehmen mit einer Liquiditäts- und Vermögensverwaltung (einem "Treasury") solche Geschäfte durchführen: Viele Konzerne veranlagen ihre zwischenzeitlichen Barreserven. Und kommen so womöglich mit dem Bankwesengesetz in Konflikt - selbst, wenn sie die Aktientransaktionen regulär von Banken abwickeln lassen.
Heikle "Fleißaufgabe"
"Die rechtliche Antwort des Verwaltungsgerichtshofs ist klar, für die Praxis ist das eine ziemliche Katastrophe", sagt Universitätsprofessor Martin Karollus von der Johannes-Kepler-Universität in Linz zur "Wiener Zeitung". Er sieht darin eine "Fleißaufgabe des österreichischen Gesetzgebers", die international recht einmalig und von den Richtlinien nicht zwingend vorgeschrieben sei. "Worin der Sinn liegen soll, ist mir unklar." Der Gesetzgeber sei wohl gefordert, sich eine Reparatur zu überlegen.
"Alle größeren Industrieunternehmen unterhalten ein eigenes Treasury - und natürlich haben nicht alle eine Bankkonzession, womit sie ja auch der Aufsicht unterliegen würden", sagt ein Wirtschaftsprüfer zur "Wiener Zeitung".
Insider sprechen von einem "juristischen Kollateralschaden". Das Urteil sei nicht für Industriefirmen gedacht gewesen, sondern an Finanzdienstleistungsfirmen ausjudiziert worden, die wie Banken agiert hätten. Problematisch machen das Urteil freilich die Begründungen der Verwaltungsrichter, die eine extensive Auslegung nahelegen - und somit jedes Unternehmen betreffen könnten.
Der eigentliche Anlassfall reicht zurück bis in den Zeitraum Mai 2004 bis Dezember 2005: Damals hatte ein Unternehmen der Kärntner Finanzgruppe AvW-Gruppe begonnen, im eigenen Namen und auf eigene Rechnung mit Wertpapieren zu handeln. Betroffen waren unter anderem Aktien von Wienerberger, Wiener Städtische, Böhler-Uddeholm und Allianz - Kursschwankungen wurden ausgenützt, um regelmäßige Erträge zu erzielen.
Dieser Eigenhandel sei jedoch nur Kreditinstituten erlaubt, heißt es im Urteil - und die erforderliche Bankkonzession habe AvW nicht besessen. Daraufhin hatte die Finanzmarktaufsicht (FMA) 2007 den entsprechenden Strafbescheid gestellt. Die Berufung durch AvW wies der Verwaltungsgerichtshof nun ab.
Die Begründungen bringen weitere Komplikationen. Das Gesetz erlaubt nämlich den Handel mit Wertpapieren explizit für das "Privatvermögen" - über ein solches kann eine juristische Person aber per Definition nicht verfügen. Somit wäre Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung das Spekulieren mit fremden Aktien untersagt.
Dies allein sei jedoch noch nicht entscheidend für ein Verbot, so die Verwaltungsrichter. Darüber hinaus müsse berücksichtigt werden, ob Gewerblichkeit vorliege und ob die Aktienkäufe mit Handels- oder Beteiligungsabsicht erfolgten. Letztere sei legitim.
Diese Unterscheidung ist aber ebenso problematisch: Als Indiz wertete die Finanzmarktaufsicht bisher, ob die gekauften Aktien im Anlagevermögen (als langfristige Beteilung) oder im Umlaufvermögen (mit Wiederveräußerungs- und somit Handelsabsicht) geführt werden. Das Liquiditätsmanagement von Industrieunternehmen erfordert aber natürlich, dass kurzfristige Verkäufe möglich sind.
Voest: "Nicht betroffen"
"Wir gehen mit Sicherheit davon aus, dass die Konzessionspflicht auf uns nicht zutrifft", sagt Voestalpine-Sprecher Peter Schiefer: "Wir führen keinesfalls gewerbsmäßige Geschäfte durch, sondern ausschließlich Veranlagungsgeschäfte im Rahmen des Treasurys."
Auch das könnte freilich Auslegungssache sein: Gewerblich nennen die Verfassungsrichtern nämlich "jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen".
"Meine Meinung ist: Das ist ein weiteres Beispiel dafür, wie für Banken Geschäftsbereiche freigespielt werden", sagt ein Anwalt, der nicht genannt werden möchte, weil seine Kanzlei auch Finanzinstitute betreut, zur "Wiener Zeitung". In der Konsequenz wäre die einzige rechtlich unbedenkliche Option nämlich, dass die Industriefirmen ihr Liquiditäts- und Vermögensmanagement an Banken oder Finanzdienstleister mit entsprechender Konzession auslagern.
Ein weiteres Privileg sieht er darin, dass Kreditinstituten nach dem Aktiengesetz der Handel mit eigenen Aktien viel weiterreichend erlaubt ist als anderen Unternehmen. "Somit können Banken Kurspflege ihrer Aktien betreiben. Mit welcher Begründung?"
Strittiges Konzernkonto
Das Erkenntnis des Höchstgerichtes könnte indes weitere unangenehme Folgen haben: So sind Unternehmen teilweise sogar per Gesetz gezwungen, Gelder vorzuhalten; etwa Rücklagen für Abfertigungen. Privatstiftungen - ebenfalls juristische Personen - kaufen und verkaufen in der Regel ebenfalls oft Wertpapiere.
Und nicht zuletzt ist unternehmensinternes "Cash-Pooling" heikel. Damit ist vereinfacht gemeint, dass ein Konzern ein zentrales Konto führt und "Kredite" an Unternehmensteile und Töchter vergibt. Konzernintern sei Cash-Pooling zwar erlaubt, aber: "Im Bankwesengesetz ist das nicht dezidiert erwähnt", sagt Karollus. Manche Rechtsexperten sind deshalb der Ansicht, das Gesetz müsse Anwendung finden.