Der Presserat kämpft gegen Manipulationen in der Finanzberichterstattung. Die ersten Richtlinien sind in Kraft, aber ausbauwürdig.
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Wer einen Teil seines Geldes in Wertpapieren anlegt, ist auf seriöse Informationen angewiesen - enttäuschte Facebook-Aktionäre sind das aktuelle Beispiel dafür. Medien liefern gute Tipps, dies aber nur, wenn sie glaubwürdig sind.
Der österreichische Presserat ist von seinem Konzept her nicht nur für medienethische Fragen und Persönlichkeitsschutz zuständig, sondern auch für den sensiblen Bereich der Finanzberichterstattung. In der überhitzten Phase des Börsebooms kurz vor und bis 2000 wurden in Deutschland einige spektakuläre Fälle vorsätzlicher Irreführung von Lesern auf den Finanzseiten von Wirtschaftsmagazinen aufgedeckt. Schon damals wurde der Ruf nach einer strengeren Beobachtung der Medien erhoben. Die Europäische Union forderte die Mitgliedstaaten 2003 in der Richtlinie 2003/6/EG zu gesetzlichen Maßnahmen gegen Marktmanipulationen auf. "Verbreitung von Informationen über die Medien einschließlich Internet oder auf anderem Wege, die falsche oder irreführende Signale in Bezug auf Finanzinstrumente geben oder geben könnten", müsse unterbunden werden. Journalistische "Selbstkontrolle" wurde dabei ausdrücklich als ausreichende Gegenmaßnahme bezeichnet.
Auf diesen Waggon springt der Presserat auf, zumal auch das österreichische Börsegesetz schon vor etlichen Jahren die EU-Richtlinie nachvollzogen hat - mit bisher rein theoretischer Wirkung. Der Presserat beschloss jetzt ein Bündel von Richtlinien, die indirekt den sogenannten Ehrenkodex der österreichischen Presse ergänzen, in dem von Finanzmanipulation noch keine Rede war. Es wird kein Zweifel gelassen, dass kundige Journalisten nicht nur sachlich über den Wirtschafts- und Finanzsektor berichten sollen, sondern ihren Lesern auch praktische Hinweise für Finanzveranlagungen geben dürfen. Großer Wert wird darauf gelegt, dass die Identität der Person klar erkennbar ist, die die redaktionelle Letztverantwortung für derartige Empfehlungen trägt. Auch wenn Finanzdienstleister mit guten Tipps zitiert werden, sollen sie namentlich ausgeschildert werden. Sachliche Darstellungen müssen klar von bloßen Prognosen unterscheidbar sein.
Solche Regeln erschweren Manipulation, verhindern sie aber nicht. Ein Patentrezept hat noch niemand gefunden, auch das neue Regelwerk des Presserats wirkt ausbaufähig. Dabei soll gar kein Zweifel erweckt werden, dass die überwiegende Mehrheit der Wirtschaftsjournalisten dieses Landes zu Recht Vertrauen genießt. Dennoch wird auf Dauer nicht mit der Forderung das Auslangen zu finden sein, dass alle Beziehungen und Umstände offenzulegen seien, die die Objektivität beeinträchtigen könnten und dass die persönliche Interessenlage des an der Sache arbeitenden Journalisten dem Ressortleiter oder dem Chefredakteur "zur Kenntnis zu bringen" sei.
Immerhin, der erste Schritt ist getan, die Presseratsrichtlinien sind gültig und auf der Homepage www.presserat.at nachzulesen. Ein bisschen mehr Biss wäre kein Schaden.