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AKW-Stresstests starten am 1. Juni

Von WZ Online

Europaarchiv

Terrorgefahr soll erst in zweitem Schritt geprüft werden. | Kritik von Umweltorganisationen. | Brüssel. Die europäischen AKW-Stresstests werden spätestens am 1. Juni dieses Jahres gestartet. Die Kontrollen der 143 Reaktoren umfassen laut EU-Kommissionskreisen Naturereignisse wie Erdbeben oder Fluten, aber auch die Auswirkungen anderer Ereignisse, die zu einem Verlust der Sicherheit führen können. | AKW-Stresstests: Die Prüfkriterien | Europäische Länder gründen Allianz gegen Kernenergie


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Definitiv nicht erfasst werden von den Tests Terroranschläge, sehr wohl aber Auswirkungen von Unfällen - etwa auch Flugzeugabstürze oder Explosionen von Schiffen.

Die Tests sollen von den Kraftwerksbetreibern durchgeführt werden - unter der Aufsicht von nationalen Regulatoren. In einem dritten Schritt werden die nationalen Berichte von anderen Regulierern, die in der Gruppe der Europäischen Nuklear-Aufsichtsbehörden (ENSREG) zusammengeschlossen sind, überprüft. Diese Überprüfung soll durch Peer Teams durchgeführt werden, die aus sieben Personen bestehen sollen. Darunter wird sich ein Mitglied der EU-Kommission befinden sowie zwei permanente ENSREG-Mitglieder und weitere vier nicht-permanente Mitglieder der ENSREG.

Zwar sollen laut Kommissionskreisen terroristische Attacken von den Tests nicht erfasst sein, allerdings verweist man seitens der Kommission darauf, dass die Auswirkungen von Flugzeugabstürzen oder etwa Explosionen von Schiffen bei den Tests sehr wohl berücksichtigt werden. Die Auswirkungen seien dieselben - egal, ob es sich um einen Unfall oder einen terroristischen Akt handle. Der Grund dafür, dass Terrorgefahren in diesem ersten Schritt nicht geprüft werden, liegt laut Kommission darin, dass nicht alle nationalen Regulatoren die Kompetenz in diesem Bereich hätten.

Terrorgefahr als nächste Stufe

Die Terrorgefahr soll in einem zweiten Schritt geprüft werden, ein Startdatum dafür gibt es noch nicht. Bereits vereinbart sind Treffen zwischen der EU-Kommission und Mitgliedsstaaten, um sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Dazu soll eine Arbeitsgruppe eingesetzt werden. Bei der Überprüfung der Terrorgefahren werde man aber aus Sicherheitsgründen nicht die gleiche Transparenz erreichen können wie bei den nun bereits fixierten Stresstests.

Bei der Überprüfung der nationalen Berichte wird den Experten aus anderen Mitgliedsstaaten auch Zugang zu den Atomkraftwerken gewährt werden, die Mitgliedsstaaten müssen ihnen nicht nur Zugang gewähren, sondern auch alle notwendigen Informationen übergeben. Die Überprüfung der nationalen Berichte durch Experten soll spätestens bis Ende April 2012 abgeschlossen werden.

Sowohl die Endberichte der nationalen Regulatoren als auch jene der Experten aus anderen Mitgliedsstaaten werden der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Den Mitgliedsstaaten steht es frei, Tests durchzuführen, die über die Anforderungen der nun fixierten Überprüfungen hinausgehen.

EU setzt auf Öffentlichkeit

Sollte ein Kraftwerk einer Überprüfung nicht standhalten, so gibt es zwar keine rechtlichen Konsequenzen. Diese seien aber auch nicht notwendig, hieß es aus Kommissionskreisen, man setzt hier auf den Druck der Öffentlichkeit. Entscheidungen über einzelne Kraftwerke bleiben unter der Verantwortung der einzelnen Mitgliedsländer.

Die Tests umfassen nicht nur alle existierenden AKW, sondern auch jene, die derzeit gebaut oder geplant werden.

"Voller Erfolg"

EU-Energiekommissar Günther Oettinger hat die Einigung auf europäische AKW-Stresstests begrüßt und vor allem die Einbeziehung des Faktors Mensch als positiv hervorgehoben. "Ich bin sehr zufrieden und glaube, dass der Stresstest dem Anspruch einer hohen Objektivität und einer gründlichen und tiefen Prüfung genügen wird."

Bundeskanzler Werner Faymann hat die Einigung der EU-Kommission auf europaweite Stresstests begrüßt. Der "Wert" der Sicherheitstests werde sich aber "erst dann zeigen, wenn die Ergebnisse vorliegen und dann auch die Konsequenzen daraus gezogen werden", betonte Faymann in einer Aussendung. Eine Veröffentlichung der Ergebnisse, die bis Dezember 2011 vorliegen sollen, sei daher wichtig. Auch unabhängige Experten müssten Zugang dazu erhalten.

Von einem "neuen Zeitalter des europäischen Nuklearsicherheitssystems" sprach Umweltminister Niki Berlakovich zur Einigung auf die Stresstests. Diese sei ein "voller Erfolg" und erfülle alle Forderungen Österreichs, erklärte Berlakovich auf einer Pressekonferenz, auf der er auch die Gründung einer Anti-Atom-Allianz europäischer atomkraftfreien Staaten verkündete.

Kritik von Umweltorganisationen

Österreichische Umweltorganisationen haben am Mittwoch hingegen den Ablauf der Stresstests kritisiert. Vor allem die Überprüfung durch die AKW-Betreiber selbst sind Greenpeace und Global 2000 ein Dorn im Auge. "Stresstests ohne unabhängige Experten direkt vor Ort sind unglaubwürdig", empörte sich Niklas Schinerl, Atomsprecher von Greenpeace. Wenn Umweltminister Berlakovich "seine Anti-Atom-Politik ernst ist, darf er der Vereinbarung in dieser Form nicht zustimmen", so Schinerl in einer Aussendung. (APA)