US-Bürger stimmten für den Wandel. | Wunsch nach Machtbalance. | "Das amerikanische Volk hat heute für einen Wandel gestimmt, und sie haben dafür gestimmt, dass die Demokraten unser Land in eine neue Richtung bringen werden", verkündete eine strahlende Nancy Pelosi nach geschlagener Wahl.
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Dieser Befund der 66-Jährigen, die als erste Frau das Präsidentenamt im Abgeordnetenhaus übernehmen wird, stimmt mit jenem von Politikexperten und Meinungsforschern überein. Nachwahlbefragungen ergaben, dass für sechs von zehn Wählern die Unzufriedenheit mit der Amtsführung von US-Präsident George W. Bush ausschlaggebend war. Noch mehr als der Irak-Krieg, der zwei Drittel in der Wahlentscheidung beeinflusste, machte den Republikanern die jüngsten Sex- und Korruptionsskandale zu schaffen - drei Viertel der Befragten erklärten, diese hätten auf ihr Wahlverhalten Einfluss gehabt.
Die US-Bürger wollten laut den Exit-Polls nicht nur Bush selbst, der nicht zur Wahl stand, sondern auch seiner Partei einen Denkzettel verpassen: Sechs von zehn Befragten erklärten, dass der Kongress seine Arbeit schlecht gemacht hätte - die bisher republikanisch dominierten beiden Kammern des Kongresses hatten der Politik des Präsidenten nach Meinung der Wähler zu wenig entgegengesetzt. Genau die Rolle als Kontrolle und Gegengewicht zum Präsidenten ist den Abgeordneten und Senatoren aber von der Verfassung zugedacht. Viele Amerikaner wollen offensichtlich eine Rückkehr zu einer ausgewogeneren Machtbalance.
Bush-Vorgänger Bill Clinton musste sich die meiste Zeit seiner zwei Amtsperioden mit einem feindlichen gesinnten Kongress ausei-andersetzen. Nur die beiden ersten Jahre seiner Präsidentschaft konnte er sich auf einen demokratisch geführten Kongress stützen, aber nicht verlassen - seine ambitioniert geplante Reform des Gesundheitswesens fiel durch. Nicht zuletzt diese Niederlage führte dazu, dass durch die Mid-Term-Wahlen 1994 der Kongress nach zwölf Jahren wieder von den Republikanern übernommen wurde.
Konsens möglich?
Clinton nützte damals Verfügungen, um auch gegen den Willen des Kongresses etwa öffentliche Flächen als "nationale Monumente" vor Zweckbauten zu schützen, suchte aber auch oft den Konsens mit den Republikanern.
Auch Bush hat bereits vor den Wahlen auf seine Fähigkeit zur "bipartisanship", zur parteiübergreifenden Arbeit verwiesen. "In Austin konnte ich mit Republikanern und Demokraten zusammenarbeiten, um vieles zu bewegen", meinte er in Anspielung auf seine Zeit als Gouverneur von Texas.
Es gäbe tatsächlich einige Punkte, in denen Einigkeit erzielt werden könnte, etwa bei dem Immigrationsgesetz, bei dem Bush bisher an den Erzkonservativen in seiner Partei gescheitert ist.
Viele bezweifeln allerdings, ob Bush wirklich zum Konsens fähig ist. In der Vergangenheit hatte selbst die eigene Partei darüber geklagt, dass der Präsident zu sehr auf sich selbst konzentriert sei und die Kommunikation mit dem Kongress vernachlässige. Es wird von Überlegungen im Weißen Haus berichtet, auf die von den Demokraten angekündigten Untersuchungsausschüsse mit Klagen bis hin zum Höchstgericht zu reagieren.
Dennoch wird Bush umdenken müssen, will er nicht durch eine zu eigensinnige Haltung ein Debakel des republikanischen Präsidentschaftskandidaten bei den Wahlen 2008 riskieren. Immerhin müssen auch die nun gestärkten Demokraten erst ihre Regierungsfähigkeit beweisen, nachdem sie bei der Wahl von ihrer entschlossenen Anti-Bush-Haltung profitieren konnten. Wofür sie aber stehen, ist vielfach noch unklar. Manche der Abgeordneten vertreten schließlich ähnlich konservative Haltungen wie ihre Gegner.
So sehr etwa beim Thema Irak-Krieg ein Umdenken gefordert wird, gibt es bei den Demokraten durchaus divergierende Vorschläge, wie das Problem zu lösen sei. Viel erwartet wird von der überparteilichen Kommission unter dem ehemaligen Außenminister James Baker, die die Möglichkeiten ausloten soll. Auch die Demokraten warten auf ihre Vorschläge.
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