Nordarktisgebiet größter Kohlenstoffspeicher der Welt. | Wissenschafter aus Wien erforschen Polareis in Sibirien. | Ispra. Das ewige Eis der Permafrostböden in der Nordpolarregion taut schneller als angenommen. Zu diesem Befund kommen Wissenschafter der EU-Forschungsstelle JRC im italienischen Ispra. Gemeinsam mit 50 Forschern aus den USA, aus Kanada, Russland, Island und Grönland haben sie in dreijähriger Arbeit einen Atlas der sogenannten Circumpolarregion erstellt - das ist Region rund um den Nordpol.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Die Forscher sehen eine Gefahr für das Klima. Denn die Circumpolarregion, die den Arktischen Ozean und die nördlichsten Regionen Kanadas, Nordamerikas, Russlands, Islands und Skandinaviens bis zum 50. Breitengrad umfasst, sei ein deutlich größerer Kohlenstoffspeicher als bisher angenommen. Mit einer Fläche von 15 Millionen Quadratkilometern - größer als das Gebiet der USA - repräsentiert sie zwar nur 16 Prozent der Erdoberfläche. Doch mit 1700 Gigatonnen sei sie der weltgrößte Speicher für organischen Kohlenstoff, so die Forscher.
KlimaschädlichesCO2 wird freigesetzt
Durch das fortschreitende Auftauen der Permafrostböden gelangt ein Teil des Kohlenstoffes als klimaschädliches Treibhausgas Kohlendioxyd (CO2) in die Atmosphäre. Überdies steigt das noch schädlichere Methan aus den Böden auf. "Alle Tropenwälder wirken nicht so stark als Kohlenstoffsenke wie die Circumpolarregion", sagt Luca Montanarella, Leiter der Forschungsgruppe. Die Klimaschutzdiskussion sei zu einseitig auf die Atmosphärenforschung und die Regenwälder konzentriert. Sten Nilsson und Ian McCallum vom International Institute for Applied Systems Analysis (IIASA) im niederösterreichischen Laxenburg haben wesentliche Beiträge zum Nordarktis-Atlas geliefert: Ihr Augenmerk gilt vor allem dem Gebiet von Zentralsibirien.
"Fast zwei Drittel Russlands ist unter ständigem Bodenfrost und taut nur für wenige Wochen im Jahr auf", weiß Forstwissenschafter McCallum. Heute reicht das ewige Eis bis zu einige hundert Meter tief. Das zunehmend beschleunigte Auftauen habe Auswirkungen auf das Erdklima. "Hinzu kommen Waldbrände, die Sibiriens Böden auslaugen und zusätzliche CO2-Belastung verursachen", erklärt McCallum. Zudem lassen die destabilisierten Permafrostböden Straßen aufbrechen und bringen Erdöl- und Erdgasleitungen zum Bersten - ein großes Problem für russische Energielieferanten.
Klimaforscher aus aller Welt sind sich einig, dass ein anhaltendes Abschmelzen der Polarkappen und das Auftauen der Permafrostböden zu verheerenden Veränderungen für Natur und Klima führen können. Der Bodenatlas mit Fotos, Karten und Satellitenaufnahmen soll demnächst vorliegen.