Zehntausende Demonstranten haben am Dienstag versucht, die von Premier Ariel Sharon geplante Räumung der jüdischen Siedlungen im Gaza-Streifen zu verhindern. Der Widerstand kann jederzeit in Gewalt und Blutvergießen umschlagen.
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Premier Sharon hat seinen radikalen Kurswechsel vom "Vater der Siedler" zum Zerstörer des Traumes jüdischer Besiedlung im biblischen Land mit allen legitimen politischen Tricks durchgesetzt. Für seine Gefolgsleute von der israelischen Rechten ging das nicht mit rechten Dingen zu. Denn die Regierungskoalition ist sich mit der linken Opposition handelseins, während die Hälfte der Regierungspartei ihrem Chef weggelaufen ist. Formal hat sich Sharon an alle Regeln gehalten, aber er hat die Mehrheit seiner Wähler hintergangen. Daher nennen sie ihn Diktator und setzten sich über das Gesetz hinweg.
Das von der Polizei verhängte Demonstrationsverbot interessiert sie nicht und das militärische Sperrgebiet wollen sie ignorieren. Das ist ein Rezept für blutige Zusammenstöße, wenn 20.000 Sicherheitskräfte bereitstehen, den Vormarsch fanatisierter Demonstranten zu verhindern.
Höchst gefährlich ist die Zusammensetzung der Rückzugsgegner. Während Siedler des Gazastreifens in ihren Häusern sitzen, weil sie ihre Entschädigungszahlungen verlieren könnten, wenn sie gegen die Gesetze verstoßen, handelt es sich bei den Demonstranten um ein Gemisch aus Rechtsextremisten, messianischen Fanatikern und Siedlern aus dem Westjordanland. Die haben tatsächlich alles zu verlieren, falls Sharon den Rückzug aus Gaza vollzieht und einen Präzedenzfall schafft. Denn der berüchtigte Sperrwall ist für die Siedler jenseits dieser künftigen Staatsgrenze zum Palästinenserstaat ein Zeichen, dass auch ihre Tage gezählt sind.
Die Demonstrationen der Rückzugsgegner könnten zu Blutvergießen und gar einem Bürgerkrieg führen. Sollte sich Sharon diesem Druck beugen und den Rückzug absagen, dann wäre das der Sieg einer fanatischen Minderheit und noch viel eher das Ende der Demokratie in Israel.APA